Angesichts der umstrittenen Neuregelung der Mindestsicherung, die am Montag im Sozialausschuss des Nationalrates behandelt wird, warnten gewichtige Nichtregierungsorganisationen am Wochenende erneut vor den drastischen Auswirkungen: Das UN-Flüchtlingshochkommissariat sieht einen "Bruch der Flüchtlingskonvention", weil künftig die komplette Sozialhilfe nur beziehen kann, wer über ziemlich gute Deutschkenntnisse auf B1-Niveau verfügt. Die Diakonie kritisierte, dass das anstehende Gesetz betroffene Menschen "tiefer in Armut und soziale Ausgrenzung" treibe.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Weihnachten 2018 beim ORF am Spendentelefon für "Licht ins Dunkel" – solche Spenden dürften künftig von der Sozialhilfe abgezogen werden.
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Zuletzt lieferten sich das von Beate Hartinger-Klein (FPÖ) geführte Sozialministerium und die SPÖ einen tagelangen Schlagabtausch darüber, ob Mindestsicherungsbeziehern bald auch noch Spenden von Hilfsorganisationen und entsprechenden Initiativen von der Sozialhilfe abgezogen werden. Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gab da etwa zu bedenken, dass das auch Spenden an Bedürftige betreffe, die zum Beispiel im Rahmen der Aktion "Licht ins Dunkel" gewährt werden – was das Sozialressort als "Verbreitung von Falschmeldungen entsetzt" zurückwies.

Das von Beate Hartinger-Klein (FPÖ) geführte Sozialministerium wehrte sich gegen "Falschmeldungen" – doch der aktuelle Gesetzestext lässt laut Experten ein Abziehen von Spenden zu.
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Hacker verwies allerdings auch auf eine schriftliche Stellungnahme des Sozialministeriums, in der erklärt wird, "dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe alle zur Deckung der eigenen Bedarfe zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter angerechnet werden. Für freiwillige Zuwendungen und Spenden sieht das Grundsatzgesetz keine Ausnahmen vor, weshalb auch hier eine Anrechnung vorzunehmen wäre."

Martin Schenk von der Armutskonferenz, bei der vierzig soziale Organisationen vertreten sind, erklärt im STANDARD-Gespräch, dass die roten Einwände angesichts des aktuellen Gesetzestextes sehr wohl berechtigt seien (Wortlaut siehe Infobox unten). Mit Paragraf 7, Absatz 1 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes seien finanzielle Zuwendungen von Dritten an Mindestsicherungsbezieher quasi als Einkünfte definiert – und zwar egal, ob sie als Geld- oder Sachleistungen erbracht werden, so der Experte, der auch Vizedirektor der Diakonie ist. Wenn man derartige Härten vermeiden möchte, "dann kann man das im Grundsatzgesetz klären und hineinschreiben". Denn auf anderslautende Pressemeldungen des Sozialministeriums könnten sich die rund 300.000 Mindestsicherungsbezieher "auf den Ämtern nicht verlassen".

Bürokratiemonster befürchtet

In der Praxis helfen soziale Initiativen Menschen in Not, oft Familien mit Kindern, vor allem zum Schulstart oder zu Weihnachten – und etwa mit Zuwendungen wie Schultaschen und Geschenken aus. All das gegenzurechnen drohe nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Behörden in den Ländern zu einem "Bürokratiemonster" zu werden, gibt Schenk zu bedenken.

Auch eine Unterstützung des Elternvereins für Schulskikurse müsste dann von der Sozialhilfe abgezogen werden. Kritische Stellungnahmen gibt es auch von der Krebshilfe, die Patienten mit Spenden unterstützt.

In seiner Replik an die SPÖ verwies das Sozialministerium auf die "Härtefallklausel", die die Länder bei "Sonderbedarf" anwenden können. Doch diese Regelung tangiert laut Schenk nicht die Vorgabe "Berücksichtigung von Leistungen Dritter". Soll heißen: Solche Ansuchen bei Sonderbedarf sind eine andere Baustelle.

Von Hartinger-Kleins Ressort ebenfalls ins Treffen geführt: Das sogenannte "Schonvermögen", das jedem Bezugsberechtigten bis zu 5300 Euro Besitz einräumt – und auf das bei der Bemessung der Sozialhilfe nicht zugegriffen werden dürfe. (Michael Völker, Nina Weißensteiner, 14.4.2019)