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Das Pressefoto des Jahres: Yana aus Honduras, keine zwei Jahre alt, mit ihrer Mutter an der Grenze zwischen Mexiko und den USA.

Foto: John Moore / Getty Images / World Press Photos

Das Foto eines weinenden Flüchtlingskindes an der Grenze der USA ist das Weltpresse-Foto des Jahres 2018. US-Fotograf John Moore gewann damit den renommierten "World Press Photo"-Wettbewerb – der STANDARD berichtete. Als "überraschendes, einzigartiges und relevantes Foto" hat die Vorsitzende Whitney C. Johnson das Foto bei der Bekanntgabe und Prämierung der Siegerfotos in Amsterdam bezeichnet.

Eine Einschätzung, die sich nicht unbedingt mit jener von Elke Grittmann von der Hochschule Magdeburg-Stendal in Deutschland deckt. Der STANDARD hat die Professorin für Medien und Gesellschaft gebeten, die Entscheidung der Jury zu analysieren. Sie sagt: "Relevant ist das Foto von John Moore sicherlich, einzigartig an der Aufnahme des kleinen weinenden Mädchens bei der Festnahme mit seiner Mutter an der amerikanischen Grenze ist allein der Moment. Überraschend ist das Bild keinesfalls. Wenn etwas überhaupt überrascht, dann ist es die Vorhersehbarkeit der Jury-Entscheidung, eine erstarrte Ikonografie erneut zu nobilitieren."

Szenen an der Grenze

Moore hatte die Szene im US-Staat Texas im Juni 2018 festgehalten: Eine junge Frau aus Honduras, die in den USA Asyl beantragen wollte, war gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter an der Grenze aufgegriffen worden. Während das Mädchen weinte, wurde die Mutter durchsucht. Tausende Kinder waren im Sommer 2018 von der Grenzpolizei von ihren Eltern getrennt und interniert worden. Nach heftigen, auch internationalen Protesten hatte US-Präsident Donald Trump die Praxis der Familientrennung von Flüchtlingen wieder aufgegeben. Das Mädchen auf dem Foto war nach Angaben der US-Behörden nicht von seiner Mutter getrennt worden.

Grittmann sieht die Aufnahme zwar auch als "humanitäres Dokument zu einem der bedeutenden Themen unserer Zeit, zu Flucht und Migration. Und es ist hoch politisch." Das Leid der kleinen Yanela Sanchez zeige die konkreten humanitären Folgen der Grenzpolitik Donald Trumps: "Damit hat die Jury einmal mehr einen Beitrag zu einem international stark beachteten Ereignis der aktuellen Zeitgeschichte gewürdigt. Die Aufnahme reiht sich somit in die Tradition der World Press Photo Foundation ein, jene fotojournalistischen Leistungen zu prämieren, die soziale Ungerechtigkeit, die humanitären Folgen von Gewalt, Krieg und Konflikt und das Leid dokumentieren."

"Schablonenhafte Bildikonografien"

Über die Jahrzehnte habe World Press Photo mit den Siegerfotos "aber auch ein Museum geschaffen, das sich seit Jahren in Bildsprache und Bildikonografie vorrangig an seinen eigenen Vorbildern orientiert", so Grittmann, die über visuelle politischer Berichterstattung und Fotojournalismus promovierte. "Wo einst die Siegerfotos beeindruckten, weil sie die Folgen von Konflikt und Kriegen auf eindrucksvolle Weise dokumentierten, sind heute schablonenhafte Bildikonografien getreten. Erneut wurde ein Bild prämiert, das in seiner plakativen Symbolik die dokumentarische Leistung geradezu erstickt. Das Kleinkind als Symbol für die Brutalität amerikanischer Grenzpolitik, die sich so schön symbolisch deuten lässt."

"Neue gesellschaftliche, politische und konflikthaltige Entwicklungen erscheinen als Wiederkehr des Immergleichen", so Grittmann weiter. Und: "Die stereotype Bildikonografie der Bildberichterstattung in den Medien, die ihre angeblich vorgefasste Sicht auf die Welt belegt, ist wie nie zuvor in der Kritik. Von World Press Photo hätte man sich eine andere Antwort auf diese Kritik gewünscht." (omark, 14.4.2019)