Helsinki – Rund 4,5 Millionen wahlberechtigte Finnen haben am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Die oppositionellen Sozialdemokraten landeten mit hauchdünner Mehrheit auf dem ersten Platz. Sie erzielten 17,7 Prozent der Stimmen – nur 0,2 Punkte mehr als die einwanderungsfeindliche Partei Die Finnen, die knapp den Überraschungscoup verpassten.

Mit 40 Abgeordneten stellen die Sozialdemokraten künftig einen mehr als Die Finnen und können damit erstmals seit 16 Jahren wieder den Regierungschef stellen. Großer Wahlverlierer war die Zentrumspartei von Regierungschef Juha Sipilä.

"Wir wollen das Vertrauen der finnischen Bevölkerung wiederherstellen", sagte der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten, Antti Rinne, am Wahlabend. Der Ex-Finanzminister und frühere Gewerkschaftschef kündigte an, "vor Ende Mai" eine Koalitionsregierung bilden zu wollen. Offen ließ Rinne die Frage, ob er mit den rechtspopulistischen Finnen zusammenarbeiten könnte. Er habe "Fragen" an die Partei, die mit einem scharfen Kurs gegen Einwanderung Wahlkampf gemacht hatte. Dabei gehe es unter anderem um "Werte".

Antti Rinne, Parteivorsitzender der finnischen Sozialdemokraten sah sich schon als der sichere Wahlgewinner und musste lange zittern, ehe er seinen Sieg erklärte.
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Zuwachs für Finnen-Partei

Die Finnen-Partei, die 17,6 Prozent (-0,1) der Stimmen erreichte, hält künftig 39 der 200 Sitze im Parlament – mehr als doppelt so viele wie die bisher 17, aber nur einer mehr als vor der Parteispaltung 2017.

"Ich hätte ein solches Ergebnis nicht erwartet, keiner hätte dies erwartet", sagte Parteichef Jussi Halla-aho. Seine Partei sei bereit, in eine Regierungskoalition einzutreten, aber nicht "um jeden Preis". Die Rechtspopulisten hatten sich im Wahlkampf unter anderem dafür ausgesprochen, die Aufnahme von Asylbewerbern auf "fast null" zu begrenzen.

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Auf dem dritten Platz landete am Sonntag mit 38 Abgeordnetenmandaten die konservative Nationale Sammlungspartei, die an der bisherigen Regierung beteiligt war. Nur auf den vierten Platz kam die Zentrumspartei von Ministerpräsident Sipilä. Dieser erklärte sich bereits früh zum "größten Verlierer" des Abends. Grund für die Wahlniederlage seien die "schwierigen wirtschaftlichen Entscheidungen" seiner Regierung gewesen. Die Sozialdemokraten hatten immer wieder den Sparkurs der konservativen Regierung attackiert.

Jussi Halla-aho will nicht um jeden Preis in eine Koalition gehen.

Das Abschneiden der finnischen Rechtspopulisten ist auch hinsichtlich der Europawahl am 26. Mai interessant: Die Finnen-Partei gehört neben der FPÖ, der deutschen AfD und der italienischen Lega zu den Parteien, die im EU-Parlament eine neue Allianz der Rechtspopulisten bilden wollen. Finnland tritt am 1. Juli zudem turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft an.

Jussi Halla-aho, Spitzenkandidat will jedenfalls nicht um jeden Preis in eine Koalition gehen. Rote Linien sehe er etwa bei der Migrationsfrage. Die meisten Parlamentsparteien haben im Wahlkampf eine Regierungszusammenarbeit mit den weit rechts stehenden Wahren Finnen wegen deren islamfeindlicher und die Europäische Union ablehnender Linie dezidiert ausgeschlossen.

Rinne wird wohl Regierungsbildung versuchen

Sozialdemokraten-Chef Antti Rinne wird wohl als erster versuchen, eine neue Regierung zu bilden. Im Vorfeld der Wahl galt eine Mitte-Links-Regierung mit konservativer Beteiligung als wahrscheinlichste Koalitionsform.

Die Sozialdemokraten hatten 2015 nur 16,5 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Sie haben zuletzt 1999 eine Parlamentswahl gewonnen und bis zum Jahr 2003 den Ministerpräsidenten gestellt.

Pekka Haavisto und seine Grünen erreichten 11,5 Prozent und konnten somit zulegen.
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Rinne würde vermutlich versuchen, unter Einbindung kleinerer Parlamentsparteien eine möglichst breite Regierungsmehrheit zu erhalten. Diese wird notwendig sein, um die bisher nur stückweise realisierte Sozial- und Gesundheitsreform ("SOTE") in ihrer Gesamtheit auf den Weg zu bringen. Der bisherige Regierungschef Juha Sipilä von der liberalen Zentrumspartei war bis zuletzt daran gescheitert und als Konsequenz daraus Anfang März mit seinem gesamten Kabinett zurückgetreten.

Das Damen-Eishockey-WM-Finale, das für die Finninen knapp gegen die USA verloren ging, machte den Wahlabend noch zusätzlich spannend für viele Finnen.

Sipilä zeigte sich bereits früh am Abend deutlich zerknirscht: "Das Zentrum ist der größte Verlierer dieser Wahl. Dieses Ergebnis ist eine große Enttäuschung für uns", sagte er. Der Liberale wollte aber nicht sagen, ob seine Partei in die Opposition wechseln werde.

Schwierige Regierungsverhandlungen

Dem skandinavischen EU- und Euroland stehen jedenfalls schwierige Regierungsverhandlungen ins Haus. Um zu sehen, wie zäh diese Verhandlungen sein können, reicht den Finnen ein Blick zum Nachbarn Schweden: Dort war Ministerpräsident Stefan Löfven – ebenfalls ein Sozialdemokrat – erst nach turbulenten Monaten Anfang des Jahres erneut zum Regierungschef gewählt worden.

Seine rot-grüne Minderheitsregierung arbeitet nun bei bestimmten Sachthemen mit bisherigen politischen Gegnern zusammen. Wegen des guten Abschneidens der rechtspopulistischen Schwedendemokraten hatten die bisherigen schwedischen Parteienblöcke keine Mehrheiten mehr zusammenbekommen. (Andreas Stangl, faso, APA, 15.4.2019)