ÖVP und FPÖ marschieren Hand in Hand: Die einen werfen ihre christlich-soziale Haltung über Bord, die anderen ihren Anspruch, für den "kleinen Mann" da zu sein, kommentiert Michael Völker.

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Kardinal Schönborn rügt die Regierung.

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Es war kein unüberlegter Leichtsinn, keine plötzliche Laune, die den Kardinal zu seiner fundamentalen Kritik an der Ausländer- und Asylpolitik der Bundesregierung veranlassten. Die Worte waren sorgsam gewählt und vielleicht auch deshalb sehr eindeutig. "Unmenschlich" sei die Asylpolitik der Regierung. Christoph Schönborn machte das an einem einfachen Beispiel fest: Die Anbringung des Schildes "Ausreisezentrum" am Tor der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Traiskirchen spiegelt die ganze Boshaftigkeit wider, die die Regierung ihrer Asylpolitik zugrunde legt und die sie nach außen hin auch gerne so darstellt.

Da geht es nicht um sachpolitisch notwendige, um sinnvolle und begründbare Entscheidungen; da geht es um eine Politik, die von Feindseligkeit getragen ist und aus dem Bauch heraus agiert. "Eine kleine Gruppe von Menschen wird offensichtlich systematisch in ein schiefes Licht gerückt. Asylwerber werden unter Generalverdacht gestellt", kritisierte der Wiener Erzbischof. Und Schönborn ist keiner, den man als linken Regierungsgegner, als Querulanten oder Willkommensklatscher abtun könnte.

Von der FPÖ hat man das nicht anders erwartet. Dass die ÖVP unter Sebastian Kurz ohne den geringsten Widerstand ebenfalls auf diesen Kurs des niederträchtigen Schlechtmachens, des Spaltens und der Herabwürdigung jener, denen es in dieser Gesellschaft ohnedies nicht gutgeht, eingeschwenkt ist, verwundert doch. Was den Kardinal offenbar so irritiert – und das scheint er aus eigener Erfahrung zu wissen: dass man mit den Vertretern dieser Regierung nicht mehr reden kann. Die ziehen ihr Ding durch. Ohne Wenn und Aber, ohne Rücksicht. Widerspruch scheint sie nur zu ermutigen.

Das Wir und das Ihr

Da gibt es keinen gemeinsamen Weg mehr, kein Bemühen um Konsens. Da gibt es die Auseinandersetzung, das Beharren, das Wir und das Ihr. Nichts dazwischen. Diese Erfahrung teilt die Kirche, deren prominentester Vertreter Schönborn ist, mit den Oppositionsparteien, was weniger wundert, das betrifft aber auch Gewerkschafter, Ländervertreter, Ärzte oder Hilfsorganisationen. Die Regierung ist für Argumente von außen nicht zugänglich. Sie hört aber auch nicht auf die wenigen Skeptiker in den eigenen Reihen.

So ist es auch bei der Neugestaltung der Sozialhilfe, die eine soziale Schräglage noch steiler macht. Mehrere Maßnahmen richten sich explizit gegen Flüchtlinge oder Ausländer. Dabei nimmt die Regierung bewusst in Kauf, auch andere Gruppen zu treffen.

Eine der übelsten Maßnahmen wird jetzt doch noch repariert: Ursprünglich war im Gesetzesentwurf vorgesehen, dass allfällige Spenden von der Sozialhilfe abgezogen werden. Das soll nun entschärft werden. Der Verdacht liegt nahe, dass die Regierung hier nicht ihre sanfte Seite entdeckt hat, sondern bloß den bürokratischen Aufwand scheut, der mit einer solchen Maßnahme verbunden wäre. Sonst bleibt die Regierung ihrer Linie treu: keine Gnade, kein Mitleid mit jenen, die nicht zu den sogenannten Leistungsträgern gehören.

Da marschieren ÖVP und FPÖ Hand in Hand: Die einen werfen ihre christlich-soziale Haltung über Bord, die anderen ihren Anspruch, für den "kleinen Mann" da zu sein. Diese Koalition verstärkt die unangenehmen Eigenschaften ihrer Partner. Was herauskommt, kann man als unmenschlich bezeichnen, wie es zuletzt auch der Kardinal getan hat. (Michael Völker, 15.4.2019)