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Pete Buttigieg: Diesen Namen und dessen Aussprache ("Buttidschiedsch") wird sich Donald Trump merken müssen. Es könnte sich nämlich um jenen seines Nachfolgers handeln.

Foto: Reuters / Lucas Jackson

Es wäre gut gewesen, die Demokraten hätten den Mittleren Westen wiederentdeckt, ohne dass es dazu des Sieges von Donald Trump bedurft hätte, schreibt Pete Buttigieg in seinem Buch "Shortest Way Home", das seine Bewerbung fürs Oval Office begleitet. "Aber besser spät als nie."

Buttigieg ist Bürgermeister im Mittleren Westen. South Bend, Indiana, kann symbolisch für den Niedergang des Rostgürtels der alten Industrie stehen – hier stieß Trumps Slogan "Make America Great Again" auf Resonanz. In South Bend liefen einmal Autos vom Band. Das Studebaker-Werk gehörte einst zu den größten Fabriken des Landes; und wer dort Arbeit hatte, wusste im Prinzip, dass er sich bis zur Pension keinen anderen Job suchen musste.

Als die Studebaker Corporation 1963 in die Pleite rutschte, begann die Talfahrt, früher als anderswo. Nach der Finanzkrise von 2008 war ein neuer Tiefpunkt erreicht, was unter anderem dazu führte, dass die Bürger von South Bend einem Nobody den Zuschlag gaben, als 2011 der Spitzenposten in der City Hall neu zu besetzen war.

Buttigieg, damals 29 Jahre alt, versprach die Verwaltung zu modernisieren und hunderte leerstehende Häuser abreißen zu lassen, die nur noch Schandflecke waren. Heute lebt noch immer ein Viertel der 102.000 Bewohner unter der Armutsgrenze, blühende Landschaften sehen anders aus, doch die Bevölkerungszahl wächst wieder, nachdem sie jahrzehntelang stetig gefallen war.

South Bend eine "sterbende Stadt" zu nennen, wie es ein US- Magazin einst tat, würde heute keinem mehr einfallen. Buttigieg hat sich den Ruf erworben, ein ebenso pragmatischer wie effizienter Politiker zu sein. Der Architekt einer Wende im Mittleren Westen. So verkauft er sich selbst.

Er trifft einen Nerv

Neben dem Texaner Beto O'Rourke ist Buttigieg der neue Hoffnungsträger der Demokraten, und seit Sonntag ist er auch offiziell Bewerber fürs Weiße Haus. Er ist der Praktiker aus dem Rust Belt, der besser als andere versteht, warum Stammwähler der Demokraten 2016 zu Trump überliefen. In den Umfragen liegt er unter mehr als 20 Kandidaten an dritter Stelle – ein Achtungszeichen. Noch vor kurzem hatten die Meinungsforscher den Außenseiter aus Indiana überhaupt nicht am Schirm. "Mayor Pete", wie sie ihnen nennen, trifft einen Nerv.

Sein Name geht auf Joseph Buttigieg zurück, einen Migranten aus Malta. Dessen blitzgescheiter Sohn studierte an prestigeträchtigen Universitäten, erst in Harvard, dann in Oxford. Pete Buttigieg wurde Unternehmensberater bei McKinsey, ehe er in die Politik wechselte. 2014 beorderte ihn die Kriegsmarine, zu deren Reserve er gehörte, für sechs Monate nach Afghanistan.

Zurückgekehrt nach South Bend, schrieb er einen Artikel für die Lokalzeitung, um sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Kurz darauf wurde er mit 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt. "Es hat gezeigt, dass mich die Leute allein nach meiner Arbeit beurteilen", schreibt er. "Unsere wertkonservative Gemeinde hat sich entweder nach vorn bewegt, was die Akzeptanz sexueller Orientierungen angeht. Oder sie hat beschlossen, dass es sie nicht interessiert."

Entwurf und Gegenentwurf

Amerikaner schicken gern Kandidaten ins Oval Office, die sich von ihren Vorgängern gründlich unterscheiden, schon weil der Kontrast für den Wandel steht, der bei fast jeder Wahl alle anderen Argumente schlägt. Auf den politisch vorsichtigen, rhetorisch brillanten Barack Obama folgte mit Trump der Gegenentwurf – und Buttigieg wäre neuerlich das Gegenteil des jetzigen Präsidenten.

Seine Stärke ist die kühle Analyse. Laut wird er praktisch nie, nicht einmal dann, wenn er vor jubelnden Anhängern spricht. Und er spricht sieben Fremdsprachen: Arabisch, Farsi, Französisch, Italienisch, Maltesisch, Norwegisch und Spanisch.

Was sich unter Trump abspiele, sagte Buttigieg, als er seinen Hut in den Ring warf, lasse ihn an eine groteske Fernsehserie denken. Und wenn etwas grotesk sei, falle es schwer, nicht hinzuschauen. "Die Horrorshow in Washington ist faszinierend, sie ist überwältigend. Aber von heute an wechseln wir den Kanal."

In seinem Buch doziert der 37-jährige Kandidatenanwärter, dass nichts menschlicher sei, als sich gegen den Verlust von etwas zu stemmen. Dies lasse es zynische Politiker ziemlich weit bringen – wenn sie nämlich Märchen erzählen, in denen ein Verlust einfach rückgängig gemacht werden könne, statt auf die harte Tour aus der Talsohle zu kommen. So, als könnte man in South Bend einfach zurückkehren zu den Blütezeiten von Studebaker, statt in den leeren Montagehallen, wie inzwischen nur ansatzweise geschehen, Hightech-Unternehmen anzusiedeln.

So zu tun, als ließe sich die Uhr anhalten, "das ist die große Lüge unserer aktuellen Politik, der Kern der Lüge, die verschlüsselt als 'Make America Great Again' daherkommt", meint Buttigieg. (Frank Herrmann aus Washington, 15.4.2019)