Der Weg ins Glück mündet für Thérèse (Marisol Montalvo) in Verzweiflung: Ihr Schicksal basiert auf Emile Zolas Roman "Thérèse Raquin", mit dem der Autor 1867 in Paris reüssierte.

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Thérèse ist verheiratet mit ihrem kränklichen Cousin Camille. Warum? "Niemand hat mich gefragt." Luft und Leben sind ausgeschlossen aus dem emotionalen Vakuum. Prompt gesprengt wird es, als Camilles Jugendfreund auftaucht und sich der Maler Laurent und Thérèse ineinander verlieben. Mord ist für sie der scheinbar unumgängliche erste Schritt auf dem gemeinsamen Lebensweg. Er führt freilich nicht ins erhoffte Glück, sondern in Gewissensnot, Verzweiflung und Selbstmord. Die Schwiegermutter Madame Raquin, vom Schlaganfall gelähmt und von dem Paar abhängig, überlebt als stumme Nemesis.

Die Kammeroper Thérèse des 1977 geborenen deutschen Komponisten Philipp Maintz, ein Kompositionsauftrag der Osterfestspiele Salzburg und der Staatsoper Hamburg (finanziert von der Ernst von Siemens Musikstiftung) wurde als Koproduktion mit der Staatsoper Hamburg in Salzburg in der Großen Aula uraufgeführt.

Thérèse, betörend und beklemmend, ist ein dichtes, musikalisch facettenreiches Kammerspiel. Es basiert auf dem Roman Thérèse Raquin von Émile Zola, dem mit seinen Gesellschaftsromanen ja so mancher Literaturskandal gelang. Otto Katzameier, Bassbariton und ausgewiesener Experte für zeitgenössische Musik, hat das Libretto geschrieben. Er selbst singt, gewohnt textdeutlich, klangfarbenreich und charismatisch, die Partie des Malers Laurent.

Mord auf der Seine

Darstellerisch und sängerisch ebenso präsent singt die Sopranistin Marisol Montalvo die Partie der Thérèse: "Ich wollte schreien und um mich schlagen, aber ich hatte mir abgewöhnt, irgendetwas Wahres zu tun." Ihrer Schwiegermutter Madame Raquin, einer Großmeisterin im Zelebrieren gesellschaftlicher Konvention, verleiht die Sängerin Renate Behle geradezu diabolische Zuge. Den unglückseligen Ehemann Camille gibt der Countertenor Tim Severlo als ein, der tyrannischen Mutter zuliebe nie erwachsen gewordenes verwöhntes Kind.

Camilles Todesschrei – der Nichtschwimmer wird beim Ausflug auf der Seine aus dem Boot gekippt – ist Klammer und Leitmotiv. Philip Maintz' Musik trägt wie ein Fluss auf ständig sich verändernden, aber eben auch erkennbar wiederkehrenden Klangflächen das gesungene Wort: ganz dessen Tempo und der Amplitude der jeweiligen Gefühle verpflichtet. Vom Akkordeon (Silke Lange) kommt die zentrale Klangfarbe.

Es spielen Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg unter der Leitung von Nicolas André. Georges Delnon zeichnet für die schnörkellose Inszenierung im Bühnenbild von Marie-Thérèse Jossen verantwortlich. Thérèse und Laurent kippen am Ende den Gift- wie weiland Tristan und Isolde den Liebestrank. Sie sind aber nicht schuldlos, sondern schuldbeladen. Psychologisch stringent, musikalisch spannend. (Heidemarie Klabacher, 15.4.2019)