Sie wollen EU-Geld, aber keine Einmischung: Ungarns Viktor Orbán, Tschechiens Andrej Babis und Rumäniens Liviu Dragnea (v. li.).

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Britta Hilpert leitet das ZDF-Studio in Wien.

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Was haben Ungarn, Rumänien und Tschechien gemeinsam? "In allen drei Ländern werden Grundwerte und demokratische Eckpfeiler angesägt – auch mit Geldern der EU", sagt ZDF-Journalistin Britta Hilpert. "Es gibt hier Politiker, die EU-Subventionen für sich persönlich, ihr Umfeld und ihren Machterhalt nutzen."

Um ihren Befund zu untermauern, hat Hilpert gemeinsam mit ihrer Kollegin Eva Schiller in den drei Ländern recherchiert. Das Resultat ist die sehenswerte Dokumentation Betrügen leicht gemacht – Wie EU-Gelder in Osteuropa versickern, die am Mittwoch, 17. April, um 22.45 Uhr im ZDF in der Reihe Zoom zu sehen ist.

Hilpert und Schiller arbeiten als Auslandskorrespondentinnen in Wien. Von hier aus orchestrieren sie die ZDF-Berichterstattung für 14 Länder aus Südosteuropa.

Geld ohne Kontrolle

Um den Weg der EU-Subventionen zu verfolgen, haben sich Hilpert und Schiller in den letzten Monaten an die Fersen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, Tschechiens Premier Andrej Babis und Liviu Dragnea, Chef der rumänischen Sozialdemokraten, geheftet. "Was sie von Europa wollen, ist das Geld, nicht die Einmischung", sagt Hilpert im Gespräch mit dem STANDARD.

Und es geht um viel Geld, denn die Fördertöpfe sind mit 150 Milliarden Euro reichlich dotiert. Den Profiteuren komme zugute, dass es zu wenige Aufpasser gibt: "Die Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf hat nur 200 Ermittler, und die Europäische Staatsanwaltschaft nimmt ihre Arbeit erst 2020 auf."

Einer der Nutznießer ist Liviu Dragnea. Er kann zwar das Amt des rumänischen Premiers aufgrund seiner Vorstrafen selbst nicht bekleiden, zieht aber im Hintergrund die Fäden. Hilpert erzählt von einem EU-Projekt zur Förderung von Waisenkindern: "Das Geld ist nachweislich nie dort angekommen, stattdessen ging es an die Partei und ihre Mitarbeiter." Dragnea habe sogar die Dreistigkeit besessen, seine Frau zur Koordinatorin des Projekts zu machen: "Obwohl sie überhaupt nicht dafür qualifiziert war."

Aufstieg eines Oligarchen

In Ungarn würden Ausschreibungen so gestaltet, dass nur bestimmte Unternehmen gewinnen können. Der milliardenschwere Oligarch Lorinc Mészáros sagt selbst, dass er sein Vermögen dem lieben Gott und Viktor Orbán zu verdanken habe. Er avancierte im Windschatten Orbáns von einfachen Klempner zu einem der reichsten Männer Ungarns.

Mészáros kaufte regierungskritische Medien, um sie auf Orbán-Kurs zu bringen – darunter fielen mit einem Federstreich 192 Lokalzeitungen, die gemeinsam mit anderen Medien in einer regierungsnahen Stiftung gebündelt sind.

Ein anderes Beispiel ist Orbáns Schwiegersohn, der mit seiner Firma bei einem Millionenauftrag zum Zug kam, als ungarische Kommunen ihre Straßenlaternen erneuern mussten. Die EU schickte Ungarn einen umfassenden Bericht, um die Unregelmäßigkeiten zu dokumentieren – ohne Konsequenzen. Ungarns Behörden wollten nicht ermitteln. "EU-Subventionen sind ein Turbo, um kriminelle Energien weiterzuentwickeln", sagt Hilpert.

Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis etwa soll für sein Wellness-Resort Storchennest zu Unrecht Millionen EU-Gelder eingestrichen haben. Der Milliardär täuschte vor, dass das Hotel ein eigenständiges Unternehmen sei, tatsächlich gehörte es aber zu seinem riesigen Imperium Agrofert, das hunderte Firmen umfasst.

Keiner der drei Politiker wollte dem ZDF ein Interview geben, kritisiert Hilpert: "Politiker entziehen sich immer mehr ihrer Pflicht, Rechenschaft abzulegen." Obwohl es sich um Steuergelder aller EU-Bürger handle. Sie resümiert: "Alle wollen das Geld, aber keine Leitplanken wie Pressefreiheit, eine unabhängige Justiz oder Chancengleichheit."

Erfahrungen in Wien

Hilpert leitet das ZDF-Studio in Wien seit Jänner 2018. Zuvor arbeitet die 52-Jährige als Korrespondentin in Brüssel und Moskau. Über ihre Arbeit in Wien sagt sie: "Es gibt mehr Verflechtungen mit Politikern, und manchmal fehlt der Mut, kritische Fragen zu stellen. Das ist aber unser Job."

"Geschockt" habe sie jene Mail aus dem FPÖ-geführten Innenministerium, das an die Polizeistellen ging, dass kritische Medien wie DER STANDARD, Falter oder Kurier nur noch mit den nötigsten Infos zu versorgen seien. Überrascht habe sie, dass es schriftlich festgehalten wurde: "Das zeigt, dass man sich sicher fühlt und kein Gefühl für die Pressefreiheit als Grundwert der Demokratie hat." Auch wenn die Mail zurückgezogen wurde: "Ich fürchte, dass der Geist noch drinnen ist." (Oliver Mark, 16.4.2019)