Zieht ein Asteroid an einem Stern vorbei, entsteht ein Beugungsmuster. Forscher können daraus den Sterndurchmesser rekonstruieren.

Illustration: DESY/Lucid Berlin

Mithilfe der besonderen Eigenschaften von Gammastrahlen-Teleskopen haben Forscher die Durchmesser ferner Sterne bestimmt. Die Untersuchungen mit dem "Very Energetic Radiation Imaging System" (Veritas) liefern die Größe eines Riesensterns in 2.674 Lichtjahren Entfernung und eines sonnenähnlichen Sterns in 700 Lichtjahren Distanz. Die Forscher um Tarek Hassan vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) und Michael Daniel vom Smithsonian Astrophysical Observatory (SAO) präsentierten ihre Ergebnisse im Fachblatt "Nature Astronomy".

Nahezu jeder Stern am Nachthimmel ist selbst für die besten Teleskope zu weit entfernt, um seine Größe direkt zu bestimmen. Forscher nutzten daher ein optisches Phänomen namens Diffraktion, um Sterndurchmesser zu bestimmen. Dieser Effekt lässt sich unter anderem beobachten, wenn ein Asteroid aus unserem Sonnensystem zufällig vor einem weit entfernten Stern vorbeiwandert. "Die extrem schwachen Schatten von Asteroiden ziehen jeden Tag über uns hinweg", sagte Hassan. "Dabei ist der Rand des Schattens jedoch nicht scharf. Stattdessen ist der zentrale Schatten umgeben von Lichtmustern, die an kleine Wasserwellen erinnern." Physiker nennen das Beugungsmuster.

Jagd nach Gammaquanten

Die Form des Musters erlaubt Rückschlüsse auf die Ausdehnung der Lichtquelle, wenngleich das Muster eines Sterns an einem Asteroiden nur sehr schwer messbar ist. "Die Sternbedeckungen durch Asteroiden sind sehr schwer vorherzusagen", sagte Daniel. "Und das Beugungsmuster lässt sich nur erkunden, in dem man schnelle Schnappschüsse macht, während der Schatten über das Teleskop wandert." Astronomen haben auf diese Weise bereits Sterne vermessen, die vorübergehend vom Mond bedeckt wurden. Das funktioniert ungefähr bis zu einer scheinbaren Größe, also einem Winkeldurchmesser, von einer tausendstel Bogensekunde. Zum Vergleich: So groß würde eine Zwei-Cent-Münze auf dem Pariser Eiffelturm von New York aus erscheinen.

Allerdings sind nicht viele Sterne am irdischen Himmel so groß. Um noch kleinere Winkeldurchmesser zu bestimmen, nutzte das Team sogenannte Tscherenkowteleskope. Diese Instrumente sind darauf spezialisiert, das extrem kurze und schwache bläuliche Leuchten einzufangen, das entsteht, wenn ein energiereiches Teilchen oder Gammaquant aus dem Weltall auf die Erdatmosphäre trifft. Tscherenkowteleskope machen nicht die besten Bilder, aber dank ihrer großen Spiegelfläche, die gewöhnlich wie ein Insektenauge in sechseckige Einzelspiegel segmentiert ist, und ihrer leistungsfähigen Kameras sind sie besonders empfindlich für Lichtschwankungen.

Messerfolge in Arizona

Am Fred-Lawrence-Whipple-Observatorium im US-Bundesstaat Arizona ist es dem Team gelungen, das Beugungsmuster des Sterns TYC 5517-227-1 einzufangen, während er am 22. Februar 2018 vorübergehend vom 60 Kilometer großen Asteroiden Imprinetta bedeckt wurde. Mit den Veritas-Teleskopen ließen sich 300 Bilder pro Sekunde aufnehmen, woraus sich das Helligkeitsprofil des Beugungsmusters mit großer Genauigkeit rekonstruieren ließ. Daraus ergab sich die scheinbare Größe des Sterns am Himmel, also sein Winkeldurchmesser, zu 0,125 tausendstel Bogensekunden. Zusammen mit der Entfernung von 2674 Lichtjahren ergibt das einen Durchmesser des Sterns, der elfmal so groß ist wie der unserer Sonne. Damit ließ sich der Stern der Klasse der Roten Riesen zuordnen, was zuvor nicht eindeutig geklärt war.

Die Forscher konnten drei Monate später zudem den Stern TYC 278-748-1 untersuchen, der am 22. Mai 2018 vom 88 Kilometer großen Asteroiden Penelope bedeckt wurde. Die Auswertung lieferte einen Winkeldurchmesser von 0,094 tausendstel Bogensekunden, was bei einer Entfernung von 700 Lichtjahren dem 2,17-fachen Sonnendurchmesser entspricht. Das deckt sich mit einer früheren Schätzung für den Stern, die mit Hilfe indirekter Methoden auf 2,173 Sonnendurchmesser gekommen war.

"Dies ist der kleinste Winkeldurchmesser eines Sterns, der je gemessen worden ist", sagte Daniel. "Die Beobachtung von Sternbedeckungen durch Asteroiden mit Tscherenkowteleskopen liefert eine zehnmal bessere Auflösung als die Standardmethode bei Sternbedeckungen durch den Mond. Und sie ist mindestens doppelt so scharf wie interferometrische Größenmessungen." Die Messungenauigkeit der neuen Methode beträgt nach Angaben der Autoren gegenwärtig rund zehn Prozent. "Wir erwarten, dass sich das durch ein optimiertes Set-up deutlich verbessern lässt, etwa indem man die beobachteten Wellenlängen auf einen bestimmten Bereich einschränkt", so der Forscher. (red, 22.4.2019)