Notre-Dame in den frühen Morgenstunden am Dienstag.

Foto: Zakaria ABDELKAFI / AFP

"Das Feuer ist unter Kontrolle", hieß es um drei Uhr früh.

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Tausende Pariser verfolgten die Löscharbeiten.

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Es wurde gebetet und gesungen.

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Am Abend hatte es zu brennen begonnen, es entwickelte sich eine massive Rauchwolke.

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Die Menschen stehen dicht aneinandergedrängt an den Ufern der Seine. Dennoch herrscht Stille an diesem Montagabend in der Pariser Innenstadt. Alle starren ungläubig auf die Île de la Cité. Wo vor wenigen Stunden noch der Dachstuhl und der Spitzturm der Kathedrale Notre-Dame standen, lodern jetzt meterhohe grellorange Flammen, die die restliche Struktur des Baujuwels bedrohen.

Der einzige Lärm, der zu diesem Zeitpunkt im Stadtzentrum zu hören ist, sind die Sirenen der Einsatzfahrzeuge und das Dröhnen der Wasserwerfer. Riechen kann man das Feuer nicht, denn der Rauch steigt beinahe senkrecht in den klaren Abendhimmel.

Video vom Brand des Notre Dames und das Ausmaß der Zerstörung.
DER STANDARD

Es sollte Stunden dauern, bis die Pariser Feuerwehr vermelden konnte, das Feuer unter Kontrolle zu haben. "Das Feuer ist gelöscht", sagte ein Feuerwehrsprecher in der Nacht auf Dienstag der Zeitung "Le Figaro". Es gebe aber noch einige Brandherde, die überwacht werden müssten. Am Dienstagvormittag dann die Entwarnung: Das Feuer ist komplett gelöscht.

"Der Turm brennt"

Kurz vor 21 Uhr geht ein Raunen durch eine Menschengruppe am Nordufer. "Der Turm brennt", ruft eine Frau entsetzt. Das helle Leuchten in einem der beiden Türme der ikonischen Fassade haben viele für eine Reflexion des Feuers gehalten. Mit vor den Mund gehaltenen Händen wird beobachtet, wie ein Kran den Wasserstrahl jetzt auf eine weitere Feuerquelle richtet.

Für die Löschungsarbeiten haben die Behörden all jene Brücken gesperrt, die die Île de la Cité mit dem Rest der Stadt verbinden. An einer der Straßensperren versammeln sich einige Gläubige und stimmen gemeinsam das "Ave Maria"-Gebet an. Im Hintergrund hört man die Glocken anderer Pariser Kirchen läuten. "Ganz gleich, ob man Christ ist oder nicht, ein Teil unserer Geschichte geht gerade verloren", sagt eine ältere Frau zu einem Passanten, der die Stimmung mit tollpatschigen Scherzen auflockern will.

Videos mit dem Smartphone

Über den Köpfen der Zuschauer leuchten unzählige Smartphone-Bildschirme im Videomodus, damit auch Bekannte und Angehörige Zeugen der Tragödie werden. Mit der anderen Hand wischen sich einige der Filmenden Tränen von den Wangen. Während sich so mancher Schaulustige über das vermeintlich verspätete Eintreffen der Einsatzkräfte aufregt, tauschen andere Erinnerungen aus: wann sie die Kirche in ihrer Kindheit zum ersten Mal besucht haben oder welche Kunstwerke sie dort besonders beeindruckt haben. "Was wohl erhalten bleibt?", fragt man sich.

Unter den Trauernden befinden sich Passanten, Touristen, aber auch Bewohner anderer Stadtviertel, die die Zerstörung eines der wichtigsten Wahrzeichen von Paris mit ihren eigenen Augen sehen wollen. Und dann stehen auch noch einige Menschen in der Menge, deren Wohnungen sich auf der Île de la Cité befinden. Sie wurden von den Polizei aus Sicherheitsgründen evakuiert und müssen die Nacht in einem Notquartier verbringen. "Es fühlt sich so an, als würde man einen alten Freund verlieren", sagt ein Mann, der direkt neben der Kirche wohnt, zum STANDARD.

Bauarbeiten als mögliche Brandursache

Das 800 Jahre alte Bauwerk gilt als frühgotisches Juwel. Als der letzte Ansturm von Touristen die Kathedrale am frühen Montagabend besichtigen wollte, wurden Medienberichten zufolge die Türen der Notre-Dame abrupt und ohne Erklärung geschlossen. Innerhalb weniger Augenblicke stieg erst grauer, dann schwarzer Rauch aus der Turmspitze auf. Bald darauf waren die ersten Flammen zu sehen. Das Gotteshaus war seit einigen Tagen wegen geplanter Renovierungen von Gerüsten umgeben. Ein Sprecher der Feuerwehr hatte angedeutet, dass die Bauarbeiten der Grund für den Brand sein könnten. Jetzt fragen sich alle Anwesenden: Wird das Gerüst einstürzen und den Rest der Kathedrale zerstören?

Die erste vorsichtige Entwarnung gibt es kurz vor Mitternacht: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bestätigt, dass die Türme der Fassade gerettet werden konnten und dass die Struktur des Bauwerks intakt geblieben sei. "Das Schlimmste konnte vermieden werden", sagt Macron zu den Fernsehteams vor der noch brennenden Kathedrale. Zeitgleich verlassen die ersten Fahrzeuge der Feuerwehr unter Applaus und "Merci"-Rufen der Passanten die Île de la Cité. Um drei Uhr morgens gibt es dann die endgültige Entwarnung der Feuerwehr: "Das Feuer ist unter Kontrolle." (Flora Mory aus Paris, 16.4.2019)