Hans Peter Doskozil mit seinem Beraterstab, dem pannonischen Porte-parole Herbert Oschep.

Foto: APA/Herbert Neubauer

In den Tiefen und den Untiefen des Eisenstädter Landhauses hört man es ächzen und stöhnen. Hans Peter Doskozil, der neue Landeshauptmann, macht Tempo; ordentlich Tempo. Er rennt, er sprintet. Laufend aber läuft er auch Gefahr, über sich selber zu stolpern. Wie jeder, der versucht, zwei Schritte auf einmal zu machen. Pflegeoffensive, Biowende, Mindestlohnregelung: ruckzuck!

Doskozil setzt Themen. Aber Termine setzt er auch gleich. Und zwar recht kurzfristige. Schon ab Anfang Oktober werden – das nur zum Beispiel – pflegende Angehörige sich anstellen lassen dürfen bei einer Landestochter. Unter den Bedingungen des ins Auge gefassten Mindestlohns von 1.700 Euro netto für 40 Stunden.

Bis dahin freilich gilt es eiligst auszuarbeiten, wie das arbeitsrechtlich korrekt zu gestalten wäre. Überstunden? Urlaub? Krankenstand? Berufseignungskriterien? Und das wären erst die offensichtlichsten Fragen. Beamte, von der Verfassung zur Akkuratesse, ja Penibilität, ja Haftelmacherei verpflichtet, kann man zur Verzweiflung bringen mit so einem nonchalanten "Dawai! Dawai!"

Gemma! Gemma!

Ein vergleichbares "Gemma! Gemma!" gibt es beim Mindestlohn. Noch wird erst erhoben, wie viele Menschen diese Regelung – niemand im Landes- und landesnahen Dienst darf Vollzeit weniger als 1.700 Euro verdienen – überhaupt betrifft. Zumal ja auch ein umfassendes Insourcing angekündigt wurde, das etwa Reinigungsdienste betreffen wird, aber auch Bauarbeiten, die das Land zukünftig verstärkt auch wieder selber durchführen möchte.

Finanzielle Planungen schweben zurzeit also noch im Fegefeuer zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Und dort, im ärarischen Purgatorium, finden sich auch allfällige Begehrlichkeiten von Personalvertretern. Der öffentliche Dienst und sein Glacis, die Landesnähe, ist geldwertig ja ziemlich hierarchisch – gehaltspyramidal – geordnet.

Das Hemd des Neugebauer

Doskozil spricht, die Budgetmaestros beruhigend, von einer "flacheren Gehaltkurve". Demnach bliebe die "Lebensverdienstsumme" eh annähernd gleich. Diesbezüglich lässt sich dem Herrn Landeshauptmann freilich nur viel Glück wünschen. Denn die Uniform der Personalvertreter besteht für gewöhnlich aus einem zwar parteipolitischen Rock. Unter dem aber wird ein gewerkschaftliches Hemd getragen; Modelabel Fritz Neugebauer, da sind die Ärmel bereits aufgekrempelt.

Hans Peter Doskozil – der ja selber so ein Hemd Marke Neugebauer zu tragen weiß – ist für eine solche Auseinandersetzung wohl gerüstet. Immerhin schlägt er solcherart, wie nebenbei, auch eine argumentative Schneise für seine zerzauste Bundespartei.

"Gerne", sagt er darum, weil in der Löwelstraße das kaum einer tun mag, "rede ich darüber, was Arbeit wert sein soll." Leistung solle sich lohnen? Aber ja doch! Ganz genau.

Neiddebatte

Es gibt nix Gutes, außer man tut es. Zeigen wolle er, was es heißt, wenn die Sozialdemokratie das Sagen hat. Wie eben im Burgenland. Dummerweise müsste er, will er was sagen, dazu auch den Johann Tschürtz befragen, den FPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter. Doskozil hat ja – daran scheint er im Überschwang manchmal nicht zu denken – eine rot-blaue Koalition geerbt.

Was den Mindestlohn betrifft, hat Tschürtz schon eindringlich vor einer Neiddebatte gewarnt. Aber eigentlich hat er sich und die Seinen so bloß wieder hineinreklamieren wollen ins Regierungsgeschehen. Auf dass der Neue ja nicht vergesse, dass er keiner Alleinregierung vorstehe; dass also Tschürtz, wenn schon nicht der Bartl, so doch der Most sei.

SAP-Zugang

Im spürbaren Überschwang des Tun-Wollens scheint Hans Peter Doskozil nicht nur das zuweilen zu vergessen. Sondern auch die eigenen Leute. Er neige dazu – ächzt und stöhnt es im Landhaus –, sich nur mit einem handverlesenen Beraterstab zu umgeben. Das dort Ausgeheckte überrascht dann nicht selten die Freunde.

Zuletzt war das etwa die alle überraschende Beschränkung des SAP-Zugangs zur Landesbuchhaltung für den Rechnungshof. Parteifreundin Verena Dunst argumentierte, selber offenbar gerade erst in Kenntnis gesetzt, umständlich, aber brav im Sinne des Landeshauptmanns: verfassungsrechtliche Bedenken! Datenschutzgrundverordnung (die eierlegende Wollmilchsau aller Geheimniskrämer).

Dummerweise ist Verena Dunst aber seit Anfang März nicht mehr Regierungsmitglied, sondern die Präsidentin des Landtages. Der Rechnungshof ist also ihr eigenes Kontrollorgan, das der Landesverwaltung auf die Finger zu schauen hat. Dass Dunst nun mit gewohnter Wortgewalt die Perspektive der Verwaltung bedient, hat das Ächzen und Stöhnen bis in den Rechnungshof getragen. Man fühlt sich dort ein bisserl . . . nun ja: ja.

Sonderlandtag

Die Opposition – ÖVP, Grüne, Liste Burgenland, Einzelkämpfer Gerhard Steier, Dunsts ex-roter Vorvorgänger – hat nun deshalb zum Sonderlandtag gerufen. Nach Ostern wird der über die Bühne gehen. Und der Koalitionspartner wird sich dort so herumwinden, dass sich das gerade nicht mehr wie Ächzen und Stöhnen anhört.

Géza Molnár, der freiheitliche Klubobmann, hat dafür schon den Ton gesetzt. In seiner Stellungnahme zur Causa hat er gerade noch vermieden zu klingen wie einst, als die FPÖ sich noch stolz "Kontrollpartei" genannt hat: "Wir Freiheitlichen haben über den veranlassten Entzug des Zugangs zum Buchhaltungssystem aus dem Schreiben des Landesrechnungshofes erfahren und kennen auch bis dato nur seine Sicht der Dinge."

Und weiter: "Der Landesrechnungshof ist das Auge und das Ohr des Landtages – gerade in Bereichen, zu denen wir Abgeordnete keinen direkten Zugang haben – und als solches unverzichtbar." Viel hörbarer kann man sich nicht auf die Zunge beißen.

Rapidler

Das alles sind freilich, vergleichsweise, Petitessen. Geschuldet vielleicht jenem beruflichen Hudeln, das zuweilen wächst aus dem privaten Glück.

Ein wirkliches, gravierendes Problem erwächst dem Hans Peter Doskozil auf ballesterischem Gebiet: Er ist Rapidler. Und zwar was für einer!

Selbst im Innersten des innersten Beraterkreises rät man ihm wohlwollend, wenigstens so zu tun, als schlüge das Herz – "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!" Doch, das geht, wie der violette Hans Niessl ja gezeigt hat – auch ein bisserl für den SV Mattersburg. Immerhin sei er ja burgenländischer – BURGENLÄNDISCHER – Landeshauptmann.

Aber nein! Im Vergleich zu Hans Peter Doskozil ist sogar Dietmar Kühbauer rapid-bezüglich beinahe sine ira et studio. (Wolfgang Weisgram, 17.4.2019)