Auch in Wien gehen Jugendliche für den Klimaschutz auf die Straße.

Foto: imago

Zunächst die gute Nachricht: Die Generation Z (geboren ab 1995) wird als "Game Changer" die Spielregeln unserer Arbeitswelt verändern. Folgen wir dem, was Innovationsfestivals wie 4Gamechangers fordern, brauchen wir in unserer agilen, dynamischen, flexiblen, digitalen und globalisierten Welt genau derartige Menschen.

Jetzt die schlechte Nachricht: Die Generation Z wird unsere Lebens- und Arbeitswelt verändern, aber in eine andere Richtung, als sich das viele "modern-innovative-digitale" Unternehmen vorstellen. Und damit wird es spannend: Denn die Wirtschaft sucht hängeringend Auszubildende plus junge Fach- und Führungskräfte. Sofern man sie gefunden hat, fehlt es dann an Ideen, wie man sie vernünftig halten kann: Denn das, was aktuell stattfindet, passt nicht zu dem, wie junge Menschen arbeiten wollen.

Hyperflexibilisierung

Aus Sicht der Wirtschaft brauchen wir eine Arbeitswelt, die immer flexibler wird. Ein Zauberwort heißt "Work-Life-Blending" als das fließende und immer stärkere Eindringen der Arbeit in das Privatleben: Wir bekommen flexible Arbeitszeiten (wozu auch der potenzielle Zwölf-Stunden-Tag gehört), flexible Arbeitsorte (zu Hause, im Kaffee, unterwegs, zur Not auch im Büro) und flexible Arbeitsverhältnisse (befristete Verträge bis hin zu Arbeit auf Abruf).

Bereits 2012 gab es erste Hinweise darauf, wie die Generation Z tickt. Das hat nichts mit Schubladisierung zu tun, sondern mit Mustererkennung. Heute brauchen sich Unternehmen nur die Megatrends anzuschauen, die sie an der Schnittstelle zum Kunden kennen, und sie verstehen die Generation Z: Ein Beispiel ist Individualisierung bei Kleidungsstücken. Aber warum propagieren sie dann unpersönliche Bürolandschaften, wo auch die Namen "Campus" nicht über Entmenschlichung und "Smart Office" über Taylorismus hinwegtäuschen?

Erfüllung in der Arbeit

Studien aus Österreich zeigen, dass der Generation Z Erfüllung in der Arbeit wichtig (88 Prozent) ist, Großraumbüros und Überstunden aber selten gewünscht werden (vier Prozent und 24 Prozent). Zudem zeigt die weltweite Trendforschung, dass junge Menschen Struktur, Sicherheit und Wohlfühlen verlangen. Spätestens jetzt wird klar, warum auch eigener Schreibtisch und geregelte Arbeitszeiten für die Generation Z spielentscheidend sind.

Bei dem, was sich die Generation Z unter "lebenswerter Arbeitswelt" vorstellt, handelt es sich weder um eine Rolle rückwärts noch um Sehnsucht nach organisatorischen Silos, Zellenbüros und frühindustrieller Arbeit auf Abruf. Hier geht es um evolutorische Weiterentwicklung und Reaktionen darauf, dass Hyperflexibilität durch Mitarbeiter immer mehr zu Lasten der Menschen geht. Nur noch agil, virtuell, dynamisch, digital und mobil zu sein, macht krank. Innovation und Kommunikation entstehen aus Sicherheit, Zufriedenheit und Spaß an der Arbeit.

Es gibt faszinierende architektonische und organisatorische Modelle. So bedeutet Personifizierung: Ich will meinen Arbeitsplatz, so wie ich ihn will, und nicht so, wie irgendein angesagter Architekt die 0/8/15-Büroarchitektur nachempfindet. Und: Die Verbindung von Kundenorientierung und Mitarbeiterorientierung ergibt sich nicht aus Hyperflexibilisierung der Mitarbeiter, sondern verlangt intelligente Organisation. Schließlich: Mitarbeiterbindung folgt nicht aus Entwurzelung, sondern dadurch, dass das Unternehmen zu einer emotionalen Heimat wird.

Generation Z wird zum Gamechanger: Zum einen sprechen wie beim Klimawandel Fakten und Wissenschaft für ihre Vision und gegen Work-Life-Blending sowie tayloristische Bürokonzepte mit Desksharing. Zum anderen sind ihre Ideen ansteckend: Auch Vertreter der anderen Generationen wollen kreative Wohlfühlbüros und haben nichts dagegen, abends keine Mails beantworten zu müssen und am Wochenende ungestört Zeit für die Familie zu haben.

Die Frage darf deshalb nicht lauten: Ist unsere Jugend fit und flexibel für die digitale Zukunft? Sie muss lauten: Ist mein Unternehmen fit für die Generation Zukunft?

Eine gefährlich-geniale Idee

Eine Referentin auf dem 4Gamechangers-Festival machte einen bemerkenswerten Vorschlag: Jugendliche sollen Unternehmen beim Einstellungsgespräch fragen, ob sie im Unternehmen die Arbeitsumgebung bekommen, die sie sich wünschen, und wenn nicht, gleich wieder gehen.

Was also passiert, wenn Jugendliche bei den angeblich so zukunftsorientierten Unternehmen nicht nur nach der Ökobilanz schauen, sondern konkret fragen: Bekomme ich einen eigenen Schreibtisch? Gibt es geregelte Arbeitszeiten mit Zeiterfassung? Was bedeutet "freies Entfalten" wirklich? Und gehören Abende und Wochenende mir und meiner Familie?

Die Generation Z existiert, und deshalb ist es leichtsinnig, wenn Unternehmen an Work-Life-Blending, seltsamen Bürowelten und diversen anderen überzogenen Pseudoinnovationen festhalten.

Vor einem halben Jahr hat sich kaum jemand 30.000 Jugendliche für den Klimawandel auf der Straße vorstellen können. Dabei lag FridaysForFuture in der Luft: Die Generation Z hat zwar wenig Interesse an Politikern, aber Interesse an politischen Themen wie dem Klimaschutz.

Höfliche Kritik

Am Ende des 4Gamechangers-Festivals bekam FridaysForFuture durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen – der als einer der wenigen echten politischen Sympathisanten bekanntlich ihre Ideen mit nach New York zur Uno-Vollversammlung genommen hatte – den großen Preis als "Game Changer of the Year 2019" überreicht. Das hat man sich noch weniger vorstellen können.

Doch dann die noch verblüffendere Antwort der Jugendlichen: Sie kritisierten höflich, aber bestimmt die Betonung von "Innovation, von Profit, vom Skalieren, von grenzenlosem Wachstum" und gaben den Preis zurück "an die Unternehmen, die hinter diesem stehen, als Erinnerung daran, dass dieser Wandel noch nicht vollzogen ist".

Arbeitswelt ist nicht Klimapolitik. Aber wenn Unternehmen nicht aufpassen, werden wir alle bei beiden Themen noch böse Überraschungen erleben. (22.4.2019)