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In Deutschland und Österreich haben sich die Zahlen zur Opioidabhängigkeit in den letzten 20 Jahren kaum verändert.

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Ibuprofen schluckt sie wie Zuckerln, schrieb die US-Amerikanerin Firoozeh Dumas im Vorjahr in der New York Times. Der seit mehreren Jahren in München lebenden Autorin wurde der Uterus entfernt. Ihre Sorge: Was bekommt sie gegen die Schmerzen nach der OP?

Die Patientin selbst verlangte nach Vicodin, also einem Opioid, das sie für ein paar Nächte und Tage nach der OP ausknocken sollte, doch die deutschen Ärzte verweigerten und rieten ihr zu Ibuprofen, Tee, Ruhe und sprachen vom Schmerz als Teil des Lebens und einem Zeichen dafür, dass der Körper heile. Dass Unwohlsein eine Option ist, war Dumas neu. In den USA werde dagegen mit Betäubungsmitteln angegangen, schrieb sie.

Wer das liest, wundert sich nicht, dass das Land in einer Opioidkrise steckt. Täglich sterben rund 130 Menschen an einer Überdosis Opioiden. Zwei Drittel der jährlich rund 70.000 Drogentoten sind auf rezeptpflichtige Opiatschmerzmittel oder illegale Opiate wie Heroin zurückzuführen. Ein Grund: Viel zu schnell werden in den USA Opioide verabreicht, weiß der Intensivmediziner Rudolf Likar vom Klinikum Klagenfurt. So erhalten etwa in Notfallambulanzen in Washington 40 Prozent der Patienten, die Schmerzen angeben, beim Erstkontakt ein starkes Opioid. "Auch Geburtsschmerzen werden in den USA routinemäßig mit Opioiden behandelt. Ein solcher Umgang trägt zu steigenden Abhängigkeitszahlen bei", so Likar.

Erst die Diagnose

In Österreich sei die Situation völlig anders: "In Europa halten sich die Ärzte an die wissenschaftlichen Empfehlungen." Diese lauten: Erst die Diagnose, dann die Therapie, erklärt Burkhard Gustorff, Schmerzmediziner am Wilhelminenspital. Die umgekehrte Herangehensweise führe dazu, dass "Patienten mit Kopfschmerzen starke Opioide bekommen, obwohl sie in dem Fall nachgewiesen unwirksam sind", so Gustorff. In den USA werden in vielen Situationen Opioide verschrieben, in denen sie in Europa nicht zum Einsatz kommen würden.

An sich ist der Pro-Kopf-Opioid-Konsum in Deutschland und Österreich nach den USA und Kanada am höchsten, wie die "Narcotic Drugs"-Erhebung 2017 zeigt. Das ist, so Gustorff, auf akute Behandlungen nach OPs, in der Onkologie, Palliativmedizin und gut geleitete Substitutionstherapien zurückzuführen. Dennoch: Hoher Konsum ist nicht gleich Missbrauch. So haben sich hierzulande die Zahlen zur Opioidabhängigkeit in den letzten 20 Jahren kaum verändert.

Und wie werden Schmerzen in Österreich ansonsten behandelt? Laut Zahlen des Umweltbundesamts wurden 2014 245 Tonnen Schmerzmittel, Entzündungshemmer und Antirheumatika verschrieben. Dennoch, so Gustorff, "chronische Schmerzen behandeln wir auf verschiedenen Ebenen, etwa mit Bewegungstherapien und Bewältigungstechniken". Doch auch hier gibt es Verbesserungsbedarf: Seit Jahren fordern Experten mehr Schmerzambulanzen und eine bessere Versorgung der Patienten. (Bernadette Redl, 19.4.2019)