Mittelalterliches Gemälde der Belagerung Jerusalems durch die Kreuzfahrer im Jahr 1099. Waren die Kämpfer ausschließlich Christen aus Westeuropa? Oder wurden sie auch lokal rekrutiert?
Illustration: wikimedia / gemeinfrei

Die Geschichte der Kreuzzüge hat in den letzten Jahren einige fragwürdige Deutungen gefunden. Rechtsradikale und rechtsextreme Terroristen wie der Christchurch-Attentäter oder Anders Behring Breivik berufen sich immer wieder auf die Kreuzritter und deren Mythos. Damit sollen die eigenen Taten und die dahinterstehende Ideologie in ein größeres historisches Narrativ gestellt werden: jenes vom Kampf der Christen gegen den Islam und zugleich der ethnisch homogenen Europäer gegen den "großen Austausch", der durch die Zuwanderer aus dem Südosten drohe.

Anführer aus Europas Adel

Zur Zeit der Kreuzzüge zwischen 1095 und 1291 waren die Christen selbst auf Expansionskurs: Im Rahmen der religiös motivierten Kämpfe drangen die Heere der Kreuzritter gen Osten vor und eroberten unter anderem Jerusalem im Jahr 1099. Die Anführer dieser Heere waren fast ausschließlich europäische Adelige – wie der Babenberger-Herzog Leopold V., der bei der Belagerung von Akkon (von 1189 bis 1191) im Rahmen des Dritten Kreuzzugs mit dabei war und mit seinem völlig blutgetränkten weißen Wams der Legende nach das Vorbild für die österreichische Flagge schuf.

Sehr viel weniger weiß man hingegen darüber, woher die vielen namenlosen Kreuzritter stammten, die sich in die extrem grausamen Schlachten warfen. Waren es ebenfalls Männer aus Westeuropa, die ihren aristokratischen Anführern folgten?

Die Routen der verschiedenen Kreuzzüge.
Illustration: wikimedia / gemeinfrei

Die moderne Mediävistik zweifelt eher daran. Vielmehr sei zu vermuten, dass auch Kämpfer aus der Region mitmachten. Zudem ist davon auszugehen, dass es im Laufe der Kreuzzüge zu "genetischen Vermischungen" mit der lokalen Bevölkerung kam.

Eine Klärung dieser Annahmen erhofft man sich zum einen durch Genomanalysen von heutigen Bewohnern dieser Region. Denn so sollten sich genetische Spuren davon finden lassen, ob die Kämpfer damals nicht nur in den Krieg gezogen sind, sondern ob sie auch sexuelle Beziehungen mit der lokalen Bevölkerung eingingen.

800 Jahre alte Knochen

Zum anderen bemüht man sich um Analysen der DNA aus den Knochen der Kreuzritter, was noch direktere Aufschlüsse geben würde. Genau das ist nun einem Team von Forschern aus England, dem Libanon und Belgien mit Knochen aus dem 13. Jahrhundert gelungen.

Knochen aus diesem Kreuzritter-Grab in der libanesischen Stadt Sidon liefern neue Erkenntnisse über die Herkunft und das genetische Erbe der christlichen Kampftruppen.
Foto: Claude Doumet-Serhal

Diese Überreste gehörten zu den Skeletten von 25 Kreuzrittern, die bei einer der Schlachten gewaltsam starben und gemeinsam in einem Grab in der libanesischen Küstenstadt Sidon bestattet wurden. (Dazu kam noch ein in unmittelbarer Umgebung gefundener Schädel, der womöglich per Katapult ins gegnerische Lager geschossen worden war, um dort für die Ausbreitung von Krankheiten zu sorgen und die feindlichen Truppen ein wenig zu demoralisieren.)

Detailansicht der 800 Jahre alten Überreste der Kämpfer, die allesamt in einer Schlacht tödlich verwundet worden waren.
Foto: Claude Doumet-Serhal

Die DNA-Analysen zeigten, dass drei der Kämpfer aus Westeuropa (darunter Spanien und Sardinien) stammten, vier kamen aus dem Nahen Osten und waren vor Ort rekrutiert worden. Zwei der Individuen hatten sowohl westeuropäische wie auch levantinische Vorfahren. Das wiederum lässt darauf schließen, dass es während der früheren Kreuzzüge zu sexuellen Beziehungen zwischen Kreuzfahrern und der lokalen Bevölkerung gekommen war, wie die Forscher um Marc Haber und Chris Tyler-Smith (Wellcome Sanger Institute in Cambridge) im "American Journal of Human Genetics" berichten.

Keine nachhaltigen Einflüsse

Diese europäischen Einflüsse auf die Bevölkerung des heutigen Libanon dürften allerdings nicht allzu nachhaltig gewesen sein. Die DNA heutiger libanesischer Christen hat sich in den letzten 2000 Jahren trotz der Kreuzfahrer nur wenig verändert. Im Vergleich dazu würden die heutigen libanesischen Muslime etwas größere Unterschiede aufweisen.

Der von den Rechtsextremen transportierte Mythos, dass bei den Kreuzzügen Männer aus Westeuropa gegen solche aus dem Nahen Osten kämpften, hält einer genetischen Betrachtung jedenfalls eher nicht statt. Sie dürften vielmehr Seite an Seite für das Christentum gekämpft haben. (Klaus Taschwer, 20.4.2019)

Die Einnahme Jerusalems, ebenfalls in einer Darstellung aus dem Mittelalter (im Hintergrund die Passion Christi). Die Kreuzfahrer kamen laut neuen DNA-Stichproben zum Teil auch aus der Region selbst.
Illustration: wikimedia / gemeinfrei