Rund um die Uhr shoppen, und das in einer kaum überschaubaren Warenwelt. Das ist das neue Konsumparadies.

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An China beißt sich auch ein Riese wie Amazon die Zähne aus. Der US-Internet-Konzern beugt sich der Übermacht der dortigen Konkurrenz wie Alibaba und JD.com. Amazon wird im Reich der Mitte keinen Marktplatz mehr betreiben oder Verkäuferdienste auf amazon.cn anbieten. Chinesische Kunden werden auf der Plattform keine Waren mehr von Drittanbietern beziehen können. Ein Rückschlag für Amazon, denn auch die Verkaufspartner sind ein wichtiges Teil des Geschäfts.

"Was vielen anfänglich verrückt erschien, ist das Geheimnis hinter Amazons Produktbreite von mehr als 300 Millionen Artikeln", lässt Deutschland-Chef Ralf Kleber dieser Tage wissen: Man habe vermeintliche Mitbewerber eingeladen, ihre Produkte bei Amazon zu vertreiben – neben den eigenen. "Die Verkaufspartner sind damit so erfolgreich, dass ihr Anteil an den weltweiten Umsätzen über die Jahre von drei auf inzwischen 58 Prozent gewachsen ist." Die Tendenz sei in Deutschland und Österreich die gleiche.

Was Kleber nicht sagt: Amazon macht damit gutes Geld. Neben den 690 Millionen Euro Einzelhandelsumsatz in Österreich wird auch hierzulande bereits eine Milliarde über Dritthändler erwirtschaftet. Amazon ist damit auch als Marktplatz Platzhirsch, weit vor Ebay und noch viel weiter vor dem Postportal Shöpping, die beide wenig relevant sind.

Der Kunde wünscht

Was alle Marktplätze eint, ist das Ziel, ein immer umfangreicheres Sortiment anzubieten. Der Kunde wünscht, wir spielen, so läuft es im Online-Geschäft. Mit etwas diplomatischeren Worten beschreibt auch Harald Gutschi diese Tendenz. "Für den Kunden muss es alles geben, wenn es geht, gestern geliefert und am besten gratis." Der Vorstandschef der Unito-Versandhandelsgruppe (Universalversand, Otto, Quelle) nimmt den Fehdehandschuh auf.

Unito will ab dem Jahr 2020 ebenfalls Heimstatt für Dritthändler werden. Die Nachfrage nach einem immer größeren Sortiment, ohne dass die Kunden das alles auch kaufen, könne man eben besser mit Partnern erfüllen, so Gutschi. Wobei man sich nicht unbedingt als Konkurrenz zu Amazon verstehe.

Während er dort weniger komplexe Produkte wie Bücher, Elektronik und Co verortet – männlich dominiert, wie Gutschi sagt – will man unter der Marke Otto eine Lifestyle-orientierte Klientel ansprechen. 80 Prozent der hauseigenen Kunden seien weiblich. Mode, Möbel, Einrichtungsgegenstände inklusive Elektronik, das ist die Produktrange, die man via Otto anbieten will. Unternehmen, die hier verkaufen wollen, müssten dazu passen. Man werde bewusst Partner auswählen, die mit dem Thema Nachhaltigkeit und Fairness vertraut sind, sagt er.

Kapitalintensives Geschäft

Womit man sich ebenfalls von der Konkurrenz unterscheiden will: "Man kann mit uns reden und telefonieren." Ähnlich wie Amazon oder Shöpping wird auch Unito die nötige Infrastruktur bereitstellen. 20 Millionen Euro nimmt man in die Hand, um IT, Logistik und Personal entsprechend aufzurüsten. "Das ist ein kapitalintensives Geschäft", sagt Gutschi. Entsprechend hoch sind auch die Erwartungen. Fünf Prozent Wachstum erwartet man sich davon – am Beginn. "Das soll dann Richtung zehn Prozent gehen." Im Vorjahr erwirtschaftete die Gruppe 441 Millionen Euro Umsatz.

Langsamer lässt es die Post mit ihrem Versuchskaninchen angehen. Der Umsatz hat sich in den ersten zwei Monaten mit 1,5 Mio. Euro im Jahresvergleich verdreifacht, die Zahl der Bestellungen stiegt im Vergleich zu 2018 um 200 Prozent. 550 Händler seien mittlerweile angebunden, weitere 500 unter Vertrag.

Ohne super Preis geht gar nichts

Bei der Preisgestaltung lässt sich niemand in die Karten schauen. Doch den Vergleich stelle ohnehin der Kunde an, sagt Gutschi. "Ohne super Preis ist alles nichts." Unterschiede gibt es allerdings bei den Bedingungen für die Händler, die sich entschließen, über eine Plattform zu verkaufen. Da zweifeln so manche Insider an der Fairness vor allem von Amazon. Es komme vor, dass der Online-Riese den Marktplatz über Nacht sperre oder Bedingungen für die Lagerhaltung diktiere, von dem Amazon in erster Linie selbst profitiere.

Handelsverbandsobmann Rainer Will findet es wichtig, dass es bei Marktplätzen mehr Konkurrenz geben wird, denn "grundsätzlich hängt es von den vertraglichen Bedingungen ab, wie chancenreich das für Händler ist." Am Ende würde auch der Konsument davon profitieren. Denn hätte ein Anbieter zuviel Macht, würden am Ende erfahrungsgemäß auch die Preise steigen. (Regina Bruckner, 20.4.2019)