Bild nicht mehr verfügbar.

Schatten über dem Präsidenten: Donald Trump ist in der Russlandaffäre nicht entlastet – finden seine Gegner.

Foto: Reuters / Al Drago

Es ist ein einziger, wenn auch langer Satz im Bericht Robert Muellers, der allein schon verdeutlicht, welch politisches Tauziehen der Veröffentlichung noch folgen kann. Wenn der US-Kongress die Gesetze in Sachen Justizbehinderung auf die korrupte Amtsführung des Präsidenten anwende, schreibt der Sonderermittler, dann stehe dies im Einklang mit dem Verfassungssystem der "checks and balances" und dem Prinzip, dass niemand über dem Gesetz stehe. Es ist ein Satz, an dem sich sofort heftiger Streit entzündet hat.

Die Demokraten, zumindest einige ihrer prominentesten Vertreter, lesen ihn als Ermunterung, wenn nicht sogar als Aufforderung zum Handeln. Nach Muellers Ermittlungen, so sehen sie es, liegt der Ball nunmehr in der Spielhälfte des Parlaments. Wobei, um bei Sportmetaphern zu bleiben, allenfalls Pause ist, auch wenn Donald Trump das Match mit den Worten "Game over!" für beendet erklärt.

Parteien im Clinch

Die Republikaner dagegen, jedenfalls diejenigen, die sich bislang zu Wort meldeten, wollen von einer zweiten Halbzeit nichts wissen. In ihren Augen wäre es reine Zeitverschwendung, sollte das Repräsentantenhaus, die von den Demokraten beherrschte Kammer, noch einmal der Frage nachgehen, ob Trump die Justiz behinderte, als Mueller Knüppel zwischen die Beine zu werfen versuchte. Er lege seinen demokratischen Kollegen ans Herz, ihre Emotionen beiseitezustellen und nach vorn zu schauen, meint Kevin McCarthy, der Fraktionschef der Konservativen im House of Representatives.

Jerrold Nadler, ein demokratischer Politveteran aus New York, der den Justizausschuss der Abgeordnetenkammer leitet, hat schon jetzt skizziert, was an weiteren Spielzügen folgen soll. Als Nächstes will er den Justizminister William Barr zwingen, seinem Komitee eine unredigierte Fassung des Mueller-Berichts zukommen zu lassen – zusammen mit dem vollständigen Beweismaterial, das ihm zugrunde liegt. Der Sonderermittler, so Nadler, habe seinen Report in der Absicht geschrieben, dem Kongress einen Fahrplan zur Verfügung zu stellen. Entsprechend müsse man handeln, zumal Mueller klargestellt habe, dass er Trump mitnichten entlaste, auch wenn Barr das Gegenteil behaupte. Nun stehe der Kongress in der Verantwortung, den Präsidenten zur Rechenschaft zu ziehen.

Uneinigkeit über Impeachment

Wie das konkret aussehen soll, daran scheiden sich die Geister, auch in den Reihen der Opposition. Deren linker Flügel hält es mit Maxine Waters, einer Abgeordneten aus Kalifornien, die verlangt, ein Impeachment Trumps in Angriff zu nehmen. Die Legislative würde ihrer Aufgabe nicht gerecht, sollte sie nicht versuchen, den Präsidenten seines Amtes zu entheben, sagt sie. Handle man nicht, schaue man tatenlos zu, wie die Demokratie untergraben werde. Die maßgeblichen Strategen der Partei hingegen halten nichts von einem Vorstoß, dem sie in realistischer Beurteilung der politischen Kräftebalance kaum Chancen zubilligen.

Soll ein Impeachment-Verfahren Erfolg haben, muss letztlich eine Zweidrittelmehrheit des Senats die Ablösung des Staatschefs verlangen. Aus heutiger Sicht eine Illusion, wenn man bedenkt, dass die konservative Mehrheit in der kleineren der beiden Kammern Trump – bis auf wenige Ausnahmen – die Treue hält, kaum ein Wort der Kritik an seiner Amtsführung übend. Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Parlaments, versucht denn auch schon seit längerem, den Punkt Amtsenthebung aus der Agenda ihrer Partei zu streichen. Ihrer Überzeugung nach sind die Demokraten besser beraten, wenn sie sich auf Probleme konzentrieren, die dem Gros der Wähler unter den Nägeln brennen – von exorbitant teuren Krankenversicherungen bis hin zu Löhnen, die auch in wirtschaftlich guten Zeiten im Großen und Ganzen stagnieren.

Demokraten setzen auf Wahl

Von einem Impeachment halte er nichts, wiederholte einer ihrer Verbündeten, Steny Hoyer, wenige Stunden nach Freigabe des Mueller-Reports. "Ganz ehrlich, in achtzehn Monaten steht eine Wahl an, und die wird das amerikanische Volk nutzen, um ein Urteil zu fällen."

William Barr allerdings, den erkennbar parteiischen Justizminister, gedenkt die Opposition im Laufe der nächsten Wochen ins Kreuzverhör zu nehmen. Nadler will ihn vorladen, um zu ergründen, wie er zu einer derart einseitigen Bewertung eines vielschichtigen, differenzierten Untersuchungsberichts gelangen konnte. Hätte man Mueller nicht gelesen und nur Barr zugehört, hätte man ein völlig verzerrtes Bild vermittelt bekommen, kritisiert auch Pelosi. Trump spinne ein Netz der Täuschung und der Lüge, er benehme sich, als gelte das Recht nicht für ihn. Bei Barr aber habe nichts davon eine Rolle gespielt. (Frank Herrmann aus Washington, 19.4.2019)