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Was eine Sünde ist, wird von bekennenden Katholiken strenger gesehen als vom Rest der Bevölkerung

Foto: dpa/Fredrik von Erichsen

Nur noch etwas mehr als die Hälfte der Österreicher sieht sich mit der Kirche verbunden, sei es durch aktives Engagement – das etwa 14 Prozent angeben – oder immerhin durch den Taufschein (37 Prozent). Im Jahr 1998 lauteten die Vergleichswerte 21 Prozent und 54 Prozent, und noch 2011 bezeichneten sich ebenfalls 21 Prozent als engagiert und weitere 50 Prozent als Taufscheinkatholiken.

ÖVP-Wähler häufiger in der Kirche

Das zeigt der Vergleich der in dieser Woche durchgeführten Market-Umfrage mit früheren Erhebungen für den STANDARD. Nach wie vor zeigen bekennende ÖVP-Wähler eine höhere Affinität zur katholischen Kirche (27 Prozent aktiv engagiert, weitere 44 Prozent Taufscheinkatholiken) als der Rest der Bevölkerung.

Was die aktuelle Untersuchung ebenfalls zeigt: Die Gläubigen haben ein anderes Verständnis davon, was moralisch verwerflich ist, als andere Befragte.

DER STANDARD ließ dazu erheben, was die österreichischen Wahlberechtigten (die die Grundgesamtheit für derartige Befragungen bilden) für sündhaft halten. Die entsprechende Frage lautete: "Immer wieder wird über Sünden gesprochen, also von moralisch verwerflichen Dingen, unabhängig davon, ob es strafbar ist oder nicht. Ich lese Ihnen nun verschiedene Dinge vor – sagen Sie mir bitte, was davon Ihrer Meinung nach eine Sünde ist."

Strengere Maßstäbe

Generell zeigt sich, dass die Menschen heute etwas strengere Maßstäbe anlegen: Galt Stehlen noch vor zwei Jahren nur 63 Prozent als moralisch verwerflich, so sind es nun 77 Prozent – engagierte Katholiken betonen aber zu 86 Prozent die moralische Verwerflichkeit des Diebstahls.

Auf dem zweiten Platz des sündhaften Verhaltens liegt der Verstoß gegen das achte Gebot – also die falsche Beschuldigung: Sie wird von 73 Prozent als sündhaft gesehen, plus 14 Prozentpunkte in nur zwei Jahren. Auch hier sind die engagierten Katholiken, aber auch die Taufscheinkatholiken strenger als andere.

Market fragte auch ab, wie die möglicherweise unbedeutende Lüge eingestuft wird: "Die Unwahrheit sagen, obwohl das niemandem schadet", macht 21 Prozent der Befragten ein schlechtes Gewissen, bei den engagierten Katholiken aber 31 Prozent. In diesem Punkt sind ältere Befragte deutlich strenger als jüngere, denen eine kleine Lüge offenbar leichter über die Lippen kommt.

Sex keine Sünde, Ehebruch schon

Am untersten Ende der Skala wird das ebenfalls deutlich: Am Sonntag zu arbeiten erscheint drei Prozent der Wahlberechtigten, aber zehn Prozent der engagierten Katholiken als verwerflich. Sex unter Unverheirateten ist für die allermeisten Österreicherinnen und Österreicher überhaupt kein moralisches Problem, immerhin sieben Prozent der kirchennahen Befragten sehen aber doch eines.

Den (Ehe-)Partner mit jemand anderem zu betrügen wird heute stärker als noch vor zwei Jahren als moralisch bedenklich gesehen, 62 Prozent verurteilen das, jüngere Befragte und wiederum die Katholiken sind besonders streng.

Weiters auf der Liste der Sünden: andere Menschen beleidigen (47 Prozent), egoistisch sein (43 Prozent, besonders ältere Befragte) und über andere schlecht reden (39 Prozent, auch hier sind Ältere sensibler).

Temposünder und Parksünder sind keine Sünder

Und auch "Temposünder" sind keine Sünder – das Missachten von Tempolimits gilt nur 15 Prozent der Bevölkerung als moralisch verwerflich, die Katholiken unterscheiden sich da nicht merklich vom Rest der Bevölkerung. Ebenso ist das bei den "Parksündern" – Falschparken erscheint Gläubigen nicht als sündhaft.

Allerdings: Die kirchennahen Personen sehen in der Völlerei – also der Maßlosigkeit beim Essen und Trinken – eher eine Sünde als jene, die nicht an der Kirche orientiert sind.

Nicht zu beten erscheint nur vier Prozent als Sünde – selbst bei engagierten Katholiken sind es nur 14 Prozent.

Was Österreich glaubt

Wobei bemerkenswert ist, was die Gebete denn eigentlich bedeuten. DER STANDARD ließ dazu das Apostolische Glaubensbekenntnis abfragen: Was von dem, was die christlichen Kirchen (mit geringer Variation der einzelnen Bekenntnisse) als ihren Glauben bezeichnen, wird in Österreich wirklich geglaubt?

  • · Dass Jesus Christus gekreuzigt wurde, gestorben ist und begraben wurde, wird von 44 Prozent geglaubt, unter den kirchlich Engagierten ist dieser Glaube mit 85 Prozent fast doppelt so stark verankert.
  • · Geht es aber um den Kern des Osterfestes, also darum, dass Jesus Christus in das Reich der Toten hinabgestiegen und am dritten Tage auferstanden ist, lässt der Glaube stark nach: Nur 22 Prozent der Gesamtbevölkerung glauben das, unter den engagierten Katholiken sind es immerhin 66 Prozent, unter den Taufscheinkatholiken aber nur noch 20 Prozent.
  • · Dass es einen allmächtigen Gott gibt, glauben 39 Prozent, vor fünf Jahren, in der Osterumfrage 2014, waren es noch 49 Prozent.
  • · Dass Gott Himmel und Erde erschaffen hat, glauben 30 Prozent – ebenfalls zehn Prozentpunkte weniger als 2014.
  • · An die Vergebung der Sünden glauben 38 Prozent, an ein ewiges Leben 34 und an die Auferstehung der Toten 23 Prozent.
  • · Ganz schlecht schaut es mit dem Bekenntnis zur heiligen katholischen Kirche aus: An deren Heiligkeit glaubt in der gesamten Bevölkerung nur noch jeder Zehnte, selbst bei den kirchlich Engagierten sind es nur 37 Prozent.

(Conrad Seidl, 21.4.2019)