David Lama im Zelt.

Foto: David Lama/Red Bull Content Pool

Die kanadischen Rocky Mountains sind eine imposante Gegend. Sie wirken, als hätte Mutter Natur zu viel Material übrig gehabt und auf 180.000 Quadratkilometern alles doppelt so groß gebaut wie gewöhnlich. Vergangenen Dienstag wurden die Ausnahmealpinisten David Lama, Hansjörg Auer und Jess Roskelley am Howse Peak in den Rocky Mountains bei einem Lawinenabgang verschüttet, nun wurden sie offiziell für tot erklärt.

Dass Lamas letzte Klettertour in einer der eindrucksvollsten Gegenden der Welt endete, passt auf eine traurige Art. Der mit 28 Jahren Verstorbene hatte viele Momente erlebt, die lange bestehen werden – die meisten davon an Orten, die selbst für Extrembergsteiger-Standards außergewöhnlich sind: 2012 bewältigte der Tiroler als Erster im freien Stil die Kompressorroute am Cerro Torre, diesem drohend-starren Zeigefinger aus patagonischem Granit. 2018 setzte er sich mit der Erstbesteigung des Lunag Ri zwischen Nepal und Tibet ein Denkmal.

Die Bilder, wie Lama den Gipfelsporn des 6895 Meter hohen Berges erklimmt, sind Klettergeschichte. Das Himalaja-Panorama mutet an, als stünde er auf der Sprungschanze in eine andere Dimension.

Die Erstbesteigung des Lunag Ri.
David Lama

Lama hat dem Alpinismus mit seinen Expeditionen neue Dimensionen eröffnet und blieb dabei immer der Bursche aus Götzens, der Sohn eines nepalesischen Sherpas und einer Tirolerin. "Fuzzy" war immer in der Natur zu Hause – auch noch, als das zum Jugendlichen herangewachsene Wunderkind die Weltspitze des Hallenkletterns aufmischte. Mit den künstlichen Hallengriffen war Lama fertig, nachdem er in seiner Debütsaison Weltcups in beiden Disziplinen gewann: "Das richtige Klettern ist am Fels." Also wechselte er mit 19 Jahren zum Alpinismus, bald zählte er zu den besten Extrembergsteigern.

Besonnen

Weggefährten beschreiben Lama als vorsichtig. Er plante akribisch. Vor seiner Erstbesteigung des Lunag Ri testete er monatelang Material, minimierte Gewicht, optimierte Nutzen: eine permanente Vermessung von Zweck und Risiko.

Der kleingewachsene Götzener machte sich nicht nur über die Dicke von Kletterseilen, sondern auch über die großen Themen Gedanken. Das gab ihm einen beachtlich reflektierten Blick auf Leben, Tod und alles dazwischen. Bei aller Seriosität hatte Lama auch Schmäh, man konnte sich davon unter anderem bei seinem Auftritt in "Willkommen Österreich" 2014 überzeugen.

Lamas Auftritt in "Willkommen Österreich".
Willkommen Österreich

Viele seiner Expeditionen wurden bildgewaltig begleitet, nicht zuletzt dank finanzstarker Sponsoren. 2009 wurde der damals 19-Jährige verteufelt, weil eine Filmcrew beim ersten Versuch am Cerro Torre Haken und Fixseile in die Wand schlug. Später waren es von Drohnen und Lama selbst per GoPro gefilmte Videos, die die Magie seiner Wagnisse greifbar machten.

Für den begeisterten Skifahrer Lama waren starke Bilder für Sponsoren viertrangig. In erster, zweiter und dritter Linie liebte er die Berge. "Seine Leidenschaft für das Klettern und Bergsteigen hat uns als Familie geprägt und begleitet. Er folgte stets seinem Weg und lebte seinen Traum", schrieben seine Eltern Claudia und Rinzi auf seiner Website.

Der Enkel eines tibetischen Mönchs trug einen unbändigen Entdeckergeist in sich. Schneller, höher, weiter, das interessierte ihn nicht. Herausfordernd, gar nie geschafft? Schon eher. Auch die Route M16 auf den Howse Peak, die der Seilschaft letztlich den Tod brachte, passte in dieses Schema: Erst ein Mal wurde sie bestiegen, das war 1999.

Zurückgelehnt

Lama war kein Kind des Zeitgeists. Vor der Besteigung des Lunag Ri musste er tagelang beschäftigungslos im Zelt liegen und auf besseres Wetter warten. Nach der Rückkehr fragte ihn der STANDARD am Telefon: "Hast du ein Handy mitgehabt, um wenigstens Musik hören zu können?"

Da zögerte Lama kurz. Wer ihn einmal erlebt hat, der konnte diese Stille deuten. Sie trug eine Ankündigung in sich: Jetzt sag ich dir was, das eigentlich offensichtlich sein sollte. Und dann wirst du es einsehen. Also ja, es war ein Handy dabei. Aber, aber: "Vielleicht ist das etwas, das in der heutigen Gesellschaft nicht mehr so leicht verständlich ist: Dass man auch mal ohne Ablenkung auskommen kann und muss. Ich kann es auch genießen, wenn es mal keine Ablenkung gibt."

Das war David Lama. Am 16. April 2019 kam er ums Leben. (Martin Schauhuber, 22.4.2019)

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David Lama
Lama und der Cerro Torre.
Red Bull