Die Lokomotive steht wieder unter Dampf.

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Mit Genugtuung korrigierte der Sprecher des Statistischen Amtes, Mao Shengyong, skeptische Erwartungen ausländischer Analysten nach oben. Stolz nannte er dieser Tage gute Zahlen für Chinas erstes Quartal 2019. Der Abwärtstrend sei gestoppt. "Das Wirtschaftswachstum stieg um 6,4 Prozent. Der Markt hatte mit 6,2 oder 6,3 Prozent gerechnet."

Im März hätten Industriewachstum und Einzelhandel sogar um über acht Prozent zugelegt. Dienstleistungen, Konsum, Exporte, Investitionen in Hightech- und strategische Industrien, alles Zeichen für ein besseres, qualitatives Wachstum, so Mao. Als Gründe nannte er Chinas Reformen, Steuer- und Abgabenkürzungen, mehr Kredite für die Privatindustrie – und die sich abzeichnende Einigung im Handelsstreit mit den USA.

Stimuli

Um Binnenwirtschaft und Exporte anzukurbeln, müssen seit 1. April industrielle Hersteller nur noch 13 statt 16 Prozent Mehrwertsteuern zahlen. Ab Mai zahlen alle Unternehmen weniger in die Sozialversicherungen ein. Obwohl die Regierung versichert, sie werde nicht wie 2009 die Konjunktur mit massiven Staatsinvestitionen künstlich stimulieren, tut sie es indirekt doch.

Allein über Steuer- und Abgabenkürzungen will sie 2019 zwei Billionen Yuan (265 Milliarden Euro) freisetzen – für mehr Nachfrage und Neuinvestitionen. Noch einmal so viel fließt in den Infrastrukturausbau. Skeptiker fragen nach der Zuverlässigkeit der Daten, so kurz vor Pekings großem internationalem Gipfel am 26. April zu seiner Seidenstraßen-Initiative. Das wichtigste finanzpolitische Magazin des Landes Caixin meldete Zweifel an der Nachhaltigkeit der Trendwende an: Zwar deuten die starken Wachstumszahlen auf eine "wahrscheinliche" Erholung. Doch zugleich wachsen "Befürchtungen", dass die bessere Ausgangslage die Regierung zur Verschleppung ihrer "kritischen Reformen zum Abbau der chinesischen Finanzrisiken" verleiten könnte. Auch die OECD warnte Peking davor, die Reformschritte zur Reduktion der Schuldenlasten wieder zu reduzieren.

Schuldensumpf

Denn China ist längst nicht so reich, wie etwa seine Devisenreserven vorgaukeln. Sowohl der Staat, seine Industrien und inzwischen auch die Haushalte leben über ihre Verhältnisse In einer zweiteiligen Serie enthüllte Caixin den tiefen Schuldensumpf, in dem Provinzen und Lokalregierungen versinken. Sie finanzierten sich über sogenannte "Finanzvehikel" (LGFV), raffiniert konstruierte, inoffizielle und intransparente Kreditinstitute, die außerhalb der Aufsicht des Finanzministerium stehen. Peking erfasst nur die offiziell aufgenommenen Kredite und ausgewiesenen Schulden der Lokalregierungen. Ende 2018 addierten sie sich auf 18,4 Billionen Yuan. (2,4 Billionen Euro). Nach Caixin-Recherchen könnten die tatsächlichen Gesamtverbindlichkeiten "außerhalb der Bücher" um mehr als das zweieinhalbfache höher liegen. Das wären "mehr als 70 Prozent des Nationalprodukts Chinas".

Pessimistisch

Am gleichen Tag, als Statistikchef Mao das stabile Wirtschaftswachstum mit dem neuen "Momentum" anpries, veröffentlichte die US-Wirtschaftskammer in Peking ihr Amcham-Weißbuch, einen 400 Seiten starken Jahresbericht ihrer 900 Mitgliedsunternehmen, die zu den größten Auslandsinvestoren in China gehören. Auch der Jahresbericht der US-Wirtschaftskammer zu ihren 900 Mitgliedsunternehmen, die zu den größten Auslandsinvestoren in China gehören, fällt erstmals pessimistisch aus. Nicht nur wegen des Handelsstreits zwischen den USA und China, der nach chinesischen Zollzahlen den beiderseitigen Handel Januar bis März um elf Prozent gegenüber dem Vorjahr fallenließ.

Er fällt erstmals pessimistisch aus, nicht nur wegen dem seit einem Jahr anhaltenden Handelsstreit zwischen den USA und China, die nach chinesischen Zollzahlen den beiderseitigen Handel Januar bis März um elf Prozent gegenüber dem Vorjahr fallen ließ.

Vertrauen verloren

Peking könne sich nicht mehr auf die "US-Wirtschaft, die so lange Anwalt für gute bilaterale Beziehungen war, als ihren positiven Anker stützen", heißt es Amcham-Weißbuch bitter. Es sei an Peking, das Vertrauen wiederherzustellen.

Die Kammer sorgt sich, dass der anstehende Handelsdeal mit den USA von Peking nur ausgenützt würde, um strukturelle Reformen hinauszuschieben. China dürfe sich nicht mehr unter dem Vorwand, es sei ein "Entwicklungsland", nach innen weiter protektionistisch verhalten. Das Handelsministerium wies die Kritik der unzufriedenen Auslandsinvestoren zurück. Es versprach, das Wirtschaftsumfeld für sie weiter zu verbessern. (Johnny Erling aus Peking, 20.4.2019)