Braunau – Ein Gedicht im Parteiblatt der FPÖ Braunau zieht Vergleiche zwischen Menschen und Ratten. Unter dem Titel "Die Stadtratte (Nagetier mit Kanalisationshintergrund)" dichtet die Partei etwa, aus Sicht einer "heimischen" Ratte: "So, wie wir hier unten leben,/ müssen and're Ratten eben,/ die als Gäst' oder Migranten,/ auch die, die wir noch gar nicht kannten,/ die Art zu leben mit uns teilen!/ Oder rasch von dannen eilen!".

Fotos des Gedichts wurden am Osterwochenende in sozialen Medien geteilt – verbunden mit Kritik an dem Vergleich zwischen Mensch und Ratte. In weiteren Versen wird über ein Bekenntnis zur eigenen Heimat und die "Vermischung" von Kulturen und Sprachen gedichtet.

Der Braunauer FPÖ-Stadtrat Hubert Esterbauer, laut Impressum verantwortlich für den Inhalt, zeigt sich im Gespräch mit dem STANDARD unglücklich mit dem Gedicht. Verfasst worden sei es vom Vizebürgermeister Christian Schilcher (ebenfalls FPÖ), der damit "bestimmte Themen pointiert" vermitteln wollte – der Vergleich mit Ratten sei aber heikel und problematisch, räumt Esterbauer ein. Er stehe zwar als Verantwortlicher im Impressum, das heiße aber nicht, "dass alles, was da drinnen steht, meine Zustimmung erfährt", sagt Esterbauer.

"Provozieren, aber nicht beleidigen"

Am Montagnachmittag meldete sich Christian Schilcher in einer Aussendung zu Wort. Er entschuldigte sich, sollte das Gedicht "Menschen verletzt oder beleidigt" haben. Dieses sollte provozieren, aber nicht beleidigen, heißt es in der Aussendung. "Ich wollte schlicht aus Sicht eines Tieres, das eine Stadt von unten beobachtet, Veränderungen beschreiben, die ich und andere durchaus zu Recht kritisieren", so Schilcher.

Ein Stadtratten-Gedicht zum Präsidentschaftswahlkampf 2016:
"Die sich auch damit nicht begnügten,
hierher gar viele Menschen schickten,
die fremde Leute zu uns holten,
die sie zu Hause nicht mehr wollten
und welche ganz bestimmt nicht blass!"

Dazu versetzte der FPÖ-Vizebürgermeister sich selbst und seine Familie nach eigenen Angaben in die Perspektive von Ratten. "Dass der Vergleich von Mensch und Ratte historisch belastet und mehr als unglücklich ist, ist ein Faktum und es tut mir aufrichtig leid, das missachtet zu haben", schreibt Schilcher, der entsprechende satirische Gedichte seit Jahren im "Braunauer Dialog" weitgehend unbeachtet von einer breiteren Öffentlichkeit publiziert.

Kurz und Stelzer fordern Distanzierung

"Die getätigte Wortwahl ist abscheulich, menschenverachtend sowie zutiefst rassistisch und hat in Oberösterreich und im ganzen Land nichts verloren", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zuvor der APA. "Es braucht sofort und unmissverständlich eine Distanzierung und Klarstellung durch die FPÖ Oberösterreich."

"Dieses 'Gedicht' ist widerlich", reagierte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der mit der FPÖ auf Landesebene in einer Koalition ist, auf APA-Anfrage auf das "Ratten-Gedicht". "In einem weltoffenen Land wie Oberösterreich haben solche Vergleiche keinen Platz und werden auch nicht toleriert. Ich erwarte mir, dass sich die FPÖ rasch und deutlich von diesem 'Gedicht' distanziert."

Rücktrittsaufforderungen von Rot und Grün

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erinnert das Gedicht "fatal an einen sprachlichen Umgang mit Menschengruppen, wie er in der NS-Propaganda üblich war. Dieses FPÖ-Gedicht ist menschenverachtend." Sie fordert Kanzler Kurz auf, Konsequenzen zu ziehen, und sieht auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Zug. Die oberösterreichische SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer fordert "alle hier Involvierten und Verantwortlichen, von Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner bis zum Braunauer Stadtparteivorsitzenden Hubert Esterbauer", zum Rücktritt auf.

Auch der grüne Bundesrat und Braunauer Gemeinderat David Stögmüller fordert Esterbauers Rücktritt und "außerdem einen klaren Schlussstrich von ÖVP und SPÖ unter die Koalitionen mit der FPÖ". "Jetzt ist die letzte rote Linie überschritten worden, und es muss endlich Konsequenzen geben." (red, APA, 22.4.2019)