Manchmal passt die Wirklichkeit eben nicht zum eigenen Vorurteil. Das muss man dann zugeben. Etwa dann, wenn ein Laufschuh, der einem auf den ersten Blick so gar nicht sympathisch war, ganz anders "performt" als erwartet.

Der Asics Metaride ist genau so ein Fall. Er wurde offiziell Ende Februar präsentiert: als angeblich bester Asics-Schuh aller Zeiten. Als Schuh, der das Laufen revolutionieren soll. Unter anderem, weil seine starre, im Vorderbereich bockharte Sohle ein anderes Auftritts- und Abrollverhalten hat als Schuhe, die Otto Normalverbraucher und Anna Durchschnitt bisher benutzen.

Der Metaride, so die PR-Nachricht, hilft durch seine Konstruktion, Kraft zu sparen. Man käme also mit dem gleichen Energieaufwand weiter. Schneller? Auch möglich – obwohl der Schuh definitiv nicht als Tempo- oder Wettkampfschuh positioniert wird.

Foto: thomas rottenberg

Als der Schuh bei mir aufschlug, hatte ich keine Zeit, ihn ausführlich zu testen. Aber dass der Metaride anders ist als die meisten gängigen Laufschuhe, spürte ich nach drei Schritten: Das Gefühl, nach vorne zu kippen, obwohl ich Mittel- bis Vorfußläufer bin, war irritierend. Höflich formuliert. Also bat ich den Elite-Läufer Stephan Listabarth, mir den Schuh zu erklären: das mit dem Loch, das mit der steinharten, verwindungssteifen Sohle, das mit den satten 300 Gramm, die der Schuh wiegt, der Nullsprengung (also dem Höhenunterschied zwischen Ferse und Zehe) trotz dicken Unterbaus. Und natürlich das mit dem Preis: 250 Euro sind das Gegenteil von einem Lercherlschas. Stefan erklärte – aber dass mir der Schuh nicht sympathisch war, sah er natürlich: "Lauf ihn einfach," sagte er.

Foto: thomas rottenberg

Also lief ich, und zwar ein paar Koppelläufe. Ein Koppellauf ist ein Lauf, den man an ein anderes Training dranhängt. Sinn der Sache ist, dem Körper beizubringen, sich trotz Vorbelastung nicht aufs Sofa zurückziehen zu können. In der Triathlonvorbereitung ist dieses "Bricktraining" essenziell.

Aber es ist auch für Nicht-Multisportler spannend auszuprobieren, was die Beine (nein, nicht der Kopf!) sagen, wenn man nach zweieinhalb Stunden intensiver Hügelintervalle am Rad (oder noch gemeiner: auf der Rolle) in die Laufschuhe steigt: Die Spaßwerte sind da meist eher enden wollend. Zumindest anfangs.

Foto: thomas rottenberg

Meine Versuchsanordnung: Wenn der Schuh mich wirklich ermüdungsfreier laufen ließe, müsste sich das gerade beim Koppellauf ja bemerkbar machen. Aber ich gestehe, ich ging davon aus, dass nix sein würde.

Nur: Ich lag falsch. Nicht dass ich schwerelos und lustvoll dahingeflogen wäre. Aber nachdem sich meine Füße – etwa beim dritten Metaride-Lauf – an die ungewohnte Abrollbewegung bei ganz viel Dämpfung gewöhnt hatten, fühlte es sich tatsächlich gut an. So gut sich die ersten 15 Minuten eines Koppellaufes halt anfühlen können.

Schnell war ich nicht. Und auch nicht endlos unterwegs (irgendwann sind 300 Gramm am Fuß dann nämlich doch "viel Schuh"). Aber das Setting war eine Problemstellung, die wie für den Schuh gemacht ist – und die Lösung funktionierte erstaunlich gut. Ich war überrascht – und damit nicht allein: Auf meiner Facebook-Seite erklärte ein Läufer, der den Schuh gekauft hatte, dass das mit "ermüdungsfreier" für ihn "bis zur HM-Distanz" stimme.

Ob ich den Schuh deshalb kaufen würde? Nein. Ich zahle nicht 250 Euro für einen Laufschuh.

Foto: thomas rottenberg

Und das liegt nicht daran, dass ich privilegiert bin: Ja, ich bekomme etliche Schuhe von Herstellern geschickt. Auf das Angebot, einen getragenen Testschuh zurückzuschicken, kommt dann meist fassungsloses Schweigen oder Lachen: "Und was sollen wir mit einem getragenen Schuh tun? Sollen wir den in den Verkauf ausliefern?"

Testschuhe landen meist in Charity-Laufschuh-Aktionen. Bis auf die, die ich wirklich mag. Nur halten auch die nicht ewig. Und beim Hersteller eine Nachlieferung "anzuregen" ist zumindest für mich ein absolutes No-Go: eine der zentralen Trennlinien zum Influencertum.

Foto: thomas rottenberg

Meine aktuelle "Universalwaffe" ist seit etwa zweieinhalb Jahren Sauconys Freedom ISO2. Ich habe ihn zweimal (einmal bei der Markteinführung, dann als Designvariante) gratis bekommen – und mittlerweile drei- oder viermal gekauft.

Das Gute an solchen Käufen ist auch das Plaudern mit den Händlern, etwa Hans und Astrid Blutsch. Den Metaride hätte ich gerade in der Reißen?, fragte Hans Blutsch und analysierte: "Ein interessantes Konzept. Denn das mit der starren Sohle im Vorderfuß kann schon was." Da habe Asics wohl eine der Ideen des "Nike Vaporfly 4%" aufgegriffen und in einen Jedermannschuh gepackt. Ich gestand, den Wunderschuh noch nie gelaufen zu sein: Die Pressestelle von Nike Deutschland schickt nicht einmal auf Anfrage Informationen.

Blutsch verschwand kurz im Lager: "Probieren Sie mal." Die Sohle des 4% (steht für "vier Prozent schneller") ist vorne ebenso hart und gekrümmt wie die des Metaride. Aber der Schuh wiegt nichts. Auf Blutschs "Teststrecke" (dem Gang im Shop) lief ich auf und ab. Eher: Ich flog. Ein echter Temposchuh – den man aber auch laufen können muss. Kaufen werde ich ihn nicht: 250 Euro, oida. Blutsch schmunzelte: "Der Nächste wird noch teurer."

Foto: thomas rottenberg

Über einen anderen Schuh, den man laufen können muss, hatte ich ebenfalls mit Hans Blutsch geplaudert. Quasi um eine "zweite Meinung" einzuholen: Auf der Messe am Tag vor dem Vienna City Marathon hatten die Leute des Schweizer Schuhlabels On Eva und mir je ein Paar ihres Ende Februar präsentierten "Cloudswift" in die Hand gedrückt (wir kompensierten das dadurch "gewonnene" Geld umgehend am On-Outfit-Regal).

Der Swift ist ein Normalschuh (also wieder relativ "viel Schuh") für Jedermann- und -frauläufer. Sein Asset ist der neue, sogenannte "Helion"-Schaum, ein "Superfoam, der den Aufprall nicht nur dämpft, sondern seine Energie im richtigen Moment an den Läufer zurückgibt. Außerdem ist Helion extrem langlebig, ohne an Leichtigkeit und Agilität einzubüßen", heißt es im Pressetext. Kurz: "Ein wahres Wunderkind."

Foto: thomas rottenberg

On-Schuhe sind eine Glaubensfrage. Ich kenne etliche Menschen, die auf die Schuhe mit den "Clouds", also die charakteristischen "Blasen", schwören und nie wieder mit anderen Schuhen laufen wollen. Ich kenne aber auch etliche, die mit On-Schuhen gar nicht laufen können. In einem Punkt sind sich aber alle einig: Die Schlapfen sehen super aus – und zwar alle Modelle.

Ich selbst? Ich habe, 2017, den "Clouventure" beim Traillaufen ausprobiert und war sehr zufrieden. Einzig die Steine, die sich ab und zu in den "Clouds" einnisteten (und der Marke vor Jahren schon den Spitznamen "Geologenschuh" eintrugen), waren nervig.

2018 lief ich dann den "Cloud X" Probe: Auf den ersten Tritt war er fein, auf den fünften oder sechsten hatte ich dann aber das Gefühl, im Zehenbereich in einem schwammigen Moonboot zu stehen. Als Alltagssneaker trage ich den X zwar immer noch sehr gern, die Rezension kam in der Schweiz aber nicht wirklich gut an.

Foto: thomas rottenberg

Und der "Swift"? Wie immer bei On ist der Schuh fast zu schön, um beim Laufen eingedreckt, niedergetrampelt und durchgeschwitzt zu werden. Aber darum geht es hier jetzt nicht: Der Halt im Schuh ist deutlich anders – besser – als im X.

Bei der Ferse war das eh kein Problem, aber auch vorne passen Passform und Sitz jetzt. Das ist nicht zuletzt dem Mesh-Obermaterial und den Silikon-Elementen über dem Mittelfuß geschuldet, die wiederum das Styling … lassen wir das.

Foto: thomas rottenberg

Im Vergleich zum X, aber auch zu vielen anderen Schuhen dieser Gewichts- und Größenklasse (290 Gramm und 7 Millimeter Sprengung) wirkt der Schuh wendiger und reaktionsfreudiger. Und auch wenn ich persönlich es lieber "reduzierter" (was noch lange nicht "minimal" ist) habe, trifft der Cloudswift damit den Schuh-Mainstream und die Bedürfnisse der Mehrheit auf den Laufstrecken wohl ziemlich auf den Punkt.

Denn die Helion-Zauberdämpfung fühlte sich sowohl für Eva als auch für mich absolut zufriedenstellend an. Ob der Schaum seine Eigenschaften tatsächlich bei jeder Temperatur gleich behält, konnten wir nicht bewerten: Es wurde – zum Glück – nicht mehr wirklich kalt genug.

Bei moderatem Tempo qualifizierte sich der Schuh als Kandidat für so ziemlich jede urbane Anwendung: Vom kurzen Mittagspausenlauf, zu dem man nicht eigens Laufschuhe mitnehmen will, bis zum gemütlichen Longjog geht alles. Aber: Steht im Pressetext nicht auch etwas von knackig-schnellen Runs?

Foto: thomas rottenberg

Vergangene Woche nahm ich den "Swift" dann mit auf einen Tempowechsellauf. 15 Kilometer: 2 Kilometer einlaufen, einer Vollgas, sechs zügig und mit ein paar Hügeln, wieder einer voll, nochmal drei zügig-hügelig und zwei Kilometer austraben. Die im Prater fehlenden Hügel ersetze ich bei solchen Einheiten meist durch die Rampen zu den Rad- und Fußwegen unter der Südosttangente: Auf sechs Kilometern Strecke kommen da schon ein paar Höhenmeter zusammen.

Ich hatte vom Vortag ein Radtraining samt Koppellauf in den Haxen und war in der Früh knapp vier Kilometer geschwommen: Klar spürt man das.

Beim Einlaufen rennt man da zuallererst mal die Müdigkeit aus den Beinen. Und beim ersten Tempoblock fordert der Körper dann sowieso einen Sachwalter. So was drückt man einfach durch.

Foto: thomas rottenberg

Bei den sechs hügelig-zügigen Kilometern war dann alles gut: Die Beine arbeiteten, und der Schuh tat, wie er sollte. Doch als es dann wieder schnell wurde, änderte sich das: Jeder Schritt war wie ein kleiner Schlag von unten auf den Fußballen – und zwar unabhängig davon, wie ich lief. Bei der nächsten Mid-Tempo-Passage war das wieder vorbei. Und beim Auslaufen erinnerten sich meine Füße schon nicht mehr dran. Aber die voll auf Anschlag gelaufenen Kilometer waren kein Spaß gewesen.

Tags darauf stand ich bei Hans Blutsch im Laden. "Ja, Ons sind härter. Mit denen muss man umgehen können – speziell bei höherem Tempo." Ist das schlecht? Nein, keineswegs. Denn es gibt unendlich viele mögliche Kombinationen aus individuellem Laufstil, individuellen Füßen und dem Schuh, der zu dem, was man heute eben laufen will oder kann, passt: Da muss jeder und jede die eigene, individuelle Abstimmung finden. Auch deshalb empfiehlt es sich, mehr als ein Paar Laufschuhe zu haben.

Foto: thomas rottenberg

Vielleicht ist Ihnen auf einigen der Bilder dieser Kolumne ja das schmale schwarze Band um meinen Knöchel aufgefallen. Das ist weder ein Designobjekt noch ein Chip-Band (also eines der Bänder, mit denen man sich die Mühe – und mitunter die Druckstellen – spart, die in die Schuhbänder eingefädelte Zeitnehmungschips mit sich bringen), sondern ein Pulsmesser:

Polar brachte Ende März den "OH1+" auf den Markt. Der optische Pulsmesser sitzt auf einem (justierbaren) Gummiband und lässt sich überall dort anbringen, wo die Sensoren besser messen können als am Handgelenk.

Denn auch wenn in die Uhr implementierte Handgelenkspulsmessung mittlerweile Standard bei fast allen Sportuhren ist, ist sie a) nie so exakt wie die Herzfrequenzmessung via Brustgurt und funktioniert b) am Handgelenk eben auch nicht wirklich bei jedem verlässlich. Für Punkt b bin ich der Kronzeuge. Die Uhr, die bei mir am Handgelenk brauchbare Ergebnisse liefert, wurde noch nicht gebaut.

Foto: thomas rottenberg

Das Problem ist aber, dass Brustgurte ein bisserl elend sind. Vor allem Frauen haben mit ihnen oft Probleme. In Kombination mit dem Sport-BH können böse Scheuerstellen entstehen. Das ist erstens schmerzhaft und kann zweitens zu hässlichen Vernarbungen führen. Kein Wunder also, dass optische Messsysteme everybody's darling sind. Nur: Siehe Punkte a und b weiter oben.

Dass das Handgelenk nicht der einzige Ort ist, an dem optische Sensoren den Blutdurchfluss der Haut erkennen können, ist klar. Und so gibt es längst eine Vielzahl an Lichtmessern, die man anderswo ansetzt. In der Regel am Ober- oder Unterarm. Schlauerweise (nicht wie hier im Bild) an der meist weniger pigmentierten Arminnenseite. Am Knöchel funktioniert es aber auch. Aber löst das auch Problem a?

Foto: thomas rottenberg

Beinahe. Denn mittlerweile sind die Dinger (vor allem, wenn sie nicht am exponierten Handgelenk sitzen) reichlich präzise. Das sage nicht ich nach ein paar Parallelläufen mit Brustgurt und Polars Sonde, sondern der Sport-Tech-Blogger "DCrainmaker", die unumstrittene Autorität auf diesem Feld: Polars OH1+ bekommt Höchstnoten.

Was den "+" von seinem Vorgänger unterscheidet, ist aber nicht nur das, sondern auch der Umstand, dass er neben Bluetooth auch ANT+ "spricht", also jene Sprachen, in denen Sportcomputer und -Sensoren miteinander kommunizieren. Dass Polar ANT+ implementiert, ist neu. Plattformen wie bikeboard.at ergänzen den Pressetext da nicht ohne Grund um das Vokabel "endlich". So lässt sich der Pulsmesser mit fast allen Produkten fast aller Mitbewerber verbinden. Und natürlich – aber das ging auch bisher via Bluetooth – mit jedem Smartphone: Im Grunde (so wie im Screenshot bei der Anwendung über die Strava-App) bräuchte man keine teure Laufuhr.

screenshot

Der wahre Clou des Knopfes ist allerdings, dass man ihn auch als "Stand alone"-Fitnesstracker nutzen kann. Etwa im Gym. Braucht man GPS, Tempo und Bewegungsdaten, nimmt man eben das Handy. Bis zu 200 Stunden "trackt" der OH1+. Und sobald er in Reichweite "seiner" Polar-Uhr oder der (kostenlosen) Polar-App ist, werden die Daten synchronisiert. Fein.

Vor allem, weil Tracken auch im Wasser funktioniert: Der Knopf lässt sich mit einer speziellen (mitgelieferten) Klammer leicht an der Schwimmbrille befestigen – und misst den Puls dann über die Schläfe. Separat – oder aber gleich mit einer Uhr (nicht nur Polar) verbunden. Freilich nur ohne Badehaube – oder wenn die Badehaube über der Brille getragen wird. (Das sollte bei einem optischen Sensor zwar logisch sein, war aber die erste Frage, die mir gestellt wurde.)

Foto: thomas rottenberg

Das ist zwar ein nettes Feature, aber vermutlich sind Schwimmer nicht wirklich die Hauptzielgruppe des soeben um 79 Euro auf den Markt gekommenen Teils. Jedenfalls nicht in meiner Welt. Denn aus meinem Lauf- und Trainingsumfeld haben sich umgehend ein paar Frauen gemeldet, die "das Ding unbedingt ausprobieren wollen, wenn du es nicht mehr brauchst. Vielleicht ist das endlich die brauchbare Erlösung vom Elend des Brustgurts." (Thomas Rottenberg, 24.4.2019)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die beschriebenen Produkte wurden, wenn nicht anders angegeben, von den Herstellern zur Verfügung gestellt.

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