Die SPÖ kann mit der neuen Sozialhilfe wenig anfangen. ÖVP-Klubchef August Wöginger hält sie für eine Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Mindestsicherung.

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Wien – Die SPÖ wird ihren Widerstand gegen die zur Sozialhilfe mutierende Mindestsicherung in den Mittelpunkt der kommenden Plenarwoche des Nationalrats stellen. Der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried sieht die Kinder als große Verlierer der Reform. Schließlich sei für die Koalition ein Kind bloß 1,50 Euro wert.

Damit sprach Leichtfried in einer Pressekonferenz Dienstagvormittag die starken Kürzungen bei der Kinderstaffelung ab dem dritten Kind an. Jeder Mensch, der nicht komplett den Realitätssinn verloren habe, wisse, dass man von 1,50 Euro pro Tag nicht leben könne. Mit diesem Betrag müsse Pflege, Kleidung und Ernährung gewährleistet werden, warnte Leichtfried. Ohnehin ist für ihn das ganze Gesetz ein "Pfusch".

137 negative Stellungnahmen

Von 140 Begutachtungsstellungnahmen seien 137 negativ gewesen: "Das muss man erst einmal schaffen." "Kurz IV" sei noch schlimmer als "Hartz IV" in Deutschland, meint Leichtfried und folgert: "Die neue Mindestsicherung ist ein Anschlag auf die armen Menschen in Österreich."

Noch ein zweiter Tagesordnungspunkt in der kommenden Plenarwoche missfällt den Sozialdemokraten besonders, nämlich das Gold Plating-Gesetz, mit dem eine Übererfüllung von EU-Normen verhindert werden soll. Leichtfried glaubt hingegen, dass das Gesetz nur der Auftakt zur Reduktion von Arbeitnehmer-Rechten unter dem Deckmantel des Gold Plating sei. Das Gesetz sei eine Bestellung von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer.

"Regierung spaltet"

An der neuen Sozialhilfe stößt sich auch die Liste Jetzt. "Die Regierung will spalten und hetzen", sagte Klubobmann Bruno Rossmann. Die Koalition spiele Arme gegen noch Ärmere und Inländer gegen Ausländer aus und wolle sich damit die Macht sichern.

Die Regierung kürze bei Migranten und Familien mit Kindern. Dass Kinder damit künftig in Österreich in größerer Armut leben als in Deutschland sei "wirklich eine Schande", meinte Rossmann. Er forderte die Regierung auf, die Armut zu bekämpfen und nicht die Armen.

Der JETZT-Klubobmann rief die Regierung auf, nicht das Null-Defizit, sondern Null-Armut in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen. Ziel müsse es sein, allen Menschen in Österreich das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Leben zu gewähren. In Zeiten guter Konjunktur sei er zwar für einen Abbau des Defizits, aber es gebe wichtigere Ziele als das von der Regierung bis 2023 angepeilte Null-Defizit – neben der Beseitigung der Armut auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, das Klima, die Bildung oder Integration.

Neos vermissen wichtige Themen

Die Neos vermissen bei der Tagesordnung für die Nationalratssitzung an den beiden kommenden Tagen wichtige Themen. Als Beispiel nannte der stellvertretende Klubobmann Niki Scherak am Dienstag, dass zwar die Mindestsicherung mit einem Volumen von einer Milliarde reformiert werde, nicht aber die Pensionen mit knapp 20 Milliarden Euro Zuschuss.

Scherak kündigte eine Kurzdebatte zu diesem Thema an. Er bekräftigte die Neos-Forderung nach einer echten Pensionsreform, um das Pensionsantrittsalter an das Lebensalter zu koppeln. Dass sich die Regierung diesem Thema nicht widme, hält Scherak für ein Armutszeugnis für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Statt der neuen Mindestsicherung bringen die Neos einen Antrag für das von ihnen propagierte "liberale Bürgergeld" ein. Mit der neuen Sozialhilfe mache die Regierung Politik "auf dem Rücken der Ärmsten".

Ohne Reformen kein Nulldefizit auf Dauer

Auch bei den Themen Steuerreform und Null-Defizit kritisierte Scherak, dass die wesentlichen Fragen nicht angegangen würden. Angesichts der schwächelnden Konjunktur werde das Null-Defizit nicht wie von der Regierung angekündigt bis 2023 zu halten sein, wenn keine ernsthaften Reformen angegangen werden. Und bei der Steuerreform vermisst Scherak die Abschaffung der Kalten Progression.

Zu der von den Neos angekündigten "Aktuellen Stunde" zur Registrierungspflicht im Internet warfen sowohl Scherak als auch Mediensprecherin Claudia Gamon der Regierung vor, "keine Ahnung vom Internet" zu haben. Gamon betonte, man müsse jetzt "Alarm schlagen", weil sich Österreich auf dem Weg "in Richtung Überwachungsstaat" befinde. Die Regierung gebe vor, gegen Hass im Netz vorgehen zu wollen, in Wahrheit gehe es ihr aber um eine Überwachung der Bevölkerung. Das sehe man etwa auch an der geplanten Vorratsdatenspeicherung und der Gesichtserkennung. Mit den geplanten Upload-Filtern komme es zu einem "Over-blocking" legaler Inhalte, die einer Zensur gleichkomme. "Man zielt auf Facebook und Youtube und erschießt das halbe Internet", sagte Gamon. (APA, red, 23.4.2019)