Rache für die Anschläge auf die Moscheen in Christchurch Mitte März sei das Tatmotiv für die islamistischen Selbstmordattentate am Ostersonntag in Sri Lanka gewesen, teilte die Regierung in Colombo am Dienstag mit. Lokale Gruppen, deren Radikalität bekannt war, deren operative Fähigkeiten aber bisher als gering eingeschätzt wurden, sollen für das koordinierte Massaker an mehreren Orten verantwortlich gewesen sein.

Dass sie so massiv unterschätzt wurden, liegt nicht nur an auch andernorts vorkommender Überforderung und Schlamperei. Die Fraktionierung aller ethnischen und religiösen Sektoren der Gesellschaft und damit auch der Verwaltung in dem ehemaligen Bürgerkriegsland behindert die Effektivität der Polizeiarbeit. Die muslimische Minderheit ist, bei wachsendem buddhistischem Nationalismus, ungeliebt, bewegte sich aber bisher am Rand des Gesichtskreises der Behörden – so wie die Christen, deren Schutz ein minderes Anliegen war.

Warum aber gerade Sri Lanka? Als der große Zulauf zum "Islamischen Staat" nach Syrien und dem Irak begann, tauchte auch der Inselstaat als Lieferant von Jihadisten auf. Die Zahlen waren naturgemäß beschränkt, das Phänomen zeigte aber auf, was in der muslimischen Gemeinschaft vor sich ging. Seit Jahren war der Volksislam mit sufistischen (mystischen) Zügen wie überall in Asien und Afrika unter den Druck von_Reformbewegungen geraten: Das sind meist keine "progressiven" Strömungen, die "Reform" besteht vielmehr darin, den Islam von allem zu "reinigen", was angeblich nicht islamisch ist. Ein Teil dieser neuen Salafisten, die auch Geld aus Saudi-Arabien bekamen, hat sich radikalisiert, wozu der buddhistische Rechtsruck im Land sein Übriges tat. Und dann kam der IS als Angebot.

Genau das macht Sri Lanka attraktiv für jihadistische Strategen. Mit zynischem Instinkt haben sich die radikalen Strippenzieher des oder zumindest im Umfeld des IS ein verletzliches Ziel ausgesucht: Wenn in der Folge der Anschläge Moscheen brennen, umso besser für sie. Dort kann gelingen, was in weniger gespaltenen, gefestigteren Gesellschaften – wozu, hoffentlich noch lange, die europäischen gehören – schon schwieriger ist.

Das schnelle Abdrehen der sozialen Medien durch die Behörden zeigt, dass zumindest begriffen wurde, dass dort der Konflikt vervielfacht wird: Das ist der neue Ort, an dem Kriegsrassismus aufgebaut wird. Auch bei uns. (Gudrun Harrer, 23.4.2019)