Drachen sind ein weitverbreitetes Element in Märchen und Heldensagen. Je nach Kultur unterscheiden sie sich jedoch in ihrer Bedeutung, die vom Monster bis zum Glücksbringer reicht.

Mamuz/ Atelier Olschinsky

Wer bekommt den goldenen Apfel, Athene, Hera oder Aphrodite?

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Fabeln wie jene Aesops transportieren universell gültige Botschaften.

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Homer schuf mit der Odyssee eine der bekanntesten Heldenreisen der Literaturgeschichte.

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In den Kojen kann man sich auf Felle legen und Märchen lauschen.

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Zum Abschluss können die Besucher in eine virtuelle 360-Grad-Landschaft eintauchen.

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An manchen Stellen laden bequeme Sitzgelegenheiten und Büchertische zum Schmökern ein.

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In einem Workshop kann man auf eine ganz persönliche Heldenreise gehen.

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Es war einmal vor langer, langer Zeit, als es eine Menschheit gab, die noch keine Erzählungen kannte. Vor wie langer Zeit genau, lässt sich nur schätzen. Als die Menschen im Aurignacien anfingen, Jagdszenen an die Wände von Höhlen zu malen und erste Skulpturen wie den Löwenmann aus dem Hohlenstein in der Schwäbischen Alb aus den Stoßzähnen von Mammuts schnitzten, hatten sie mit Sicherheit schon weit früher damit begonnen, sich Geschichten zu erzählen.

Viel Zeit muss man sich jedenfalls für die diesjährige Ausstellung im Mamuz Museum Mistelbach nehmen. Märchen, Mythen und Symbole führt auf eine Spurensuche durch 40.000 Jahre Menschheitsgeschichte der Geschichten, von der Stein- bis in die Neuzeit.

Die von unseren jungpaläolithischen Ahnen wohl an Lagerfeuern zum Besten gegebenen Erzählungen wurden über Jahrtausende mündlich tradiert. Die Weitergabe erfolgte dabei erstaunlich akkurat. Natürlich folgten auch die Mythen und Sagen einer Evolution, parallel zur Weiterentwicklung der menschlichen Kultur und der Sprache. Doch was die grundlegenden Themen und Strukturen betrifft, tauchen bestimmte Erzählelemente, Symbole und auch Handlungsstränge immer wieder in leicht abgewandelten Formen auf – und zwar weltweit in praktisch allen Kulturen. Dies betrifft nicht nur religiöse Schöpfungsmythen, sondern genauso auch Texte profanen Inhalts. Die erzeugten Bilder entfalten bis heute ihre Wirkung auf uns.

Erfolgskonzept

Die Heldenreise ist eines dieser immer wiederkehrenden archetypischen Elemente. Sie läuft nach einem mehr oder weniger fixen Schema ab: Der Held folgt seiner Berufung, besteht diverse Aufgaben, muss seinen übermächtigen Gegner bezwingen und kehrt schließlich frei oder geläutert in sein Leben zurück. Während sich schon in der Antike Gilgamesch, Herakles oder Odysseus auf die Reise begaben, dient das Konzept in unserer Zeit als Blaupause für zahllose Kinoabenteuer und Romane.

Auch der Rundgang durch die Ausstellung selbst ist als eine Art Reise angelegt. Eine Klammer bildet das Märchen "Salz ist wertvoller als Gold" der tschechischen Autorin und Märchensammlerin Bozena Nemcová. Der auch als "Salzprinz" bekannten Geschichte kann in vier über die Schau verteilten Erzählräumen gelauscht werden. Dazwischen führt der Pfad durch die drei Schwerpunkte "Hören", "Schreiben" und "Sehen". Bei ersteren Bereichen werden die historische Entwicklung der Erzählungen und ihre grundlegende Bedeutung als Lebensorientierung und Anleitung zum Erwachsenwerden dargestellt.

Der dritte Abschnitt zeigt, wie in unserem Alltag gezielt Symbole und Geschichten eingesetzt werden, um uns zu beeinflussen, sei es durch Markenlogos und Werbeslogans, aber auch durch politische Inszenierungen, die in unserem Gedächtnis gespeicherte Assoziationen wecken. Die Macht der Bilder wurde schon in der Antike erkannt und von den Herrschern benutzt, um ihre Botschaften zu verbreiten. Die mit einer "damnatio memoriae" belegten Vorgänger wurden jedoch im Zuge eines Bildersturms aus der Erinnerung gelöscht. Die in heutigen Zeiten praktizierte Message-Control funktioniert auf subtilere Weise. Umso wichtiger ist es, ein Bewusstsein für die Entwicklung einer ausreichenden Medien- und Bildkompetenz zu schaffen.

Bei allen Stationen laden Bereiche zum Rasten ein: Einmal kann man es sich in Nischen auf Fellen gemütlich machen und Märchen zuhören, dann wiederum in bequemen Fauteuils in Büchern von den Grimm-Märchen bis zu Harry Potter schmökern. Zum Abschluss kann mittels Virtual-Reality-Brillen die Szenerie für die eigene Geschichte erschaffen werden.

Persönliche Heldenreise

Die Ausstellung lässt die Besucher jedoch nicht nur schauen und zuhören, sie lädt auch zum aktiven Mitmachen ein. Schlüpfen Sie in die Rolle des Paris: Wem geben Sie den goldenen Apfel – der mächtigen Hera, der weisen Athene oder der liebreizenden Aphrodite? Mit einem goldenen Band können Sie Ihren Entschluss markieren und auch sehen, wie sich andere Besucher entschieden haben.

Eine ideale Abrundung für Gruppen wie Schulklassen bietet der zusätzlich buchbare Workshop. Dabei können die Teilnehmer auf ihre ganz persönliche Heldenreise gehen und die Rolle der verschiedenen Archetypen einer Heldensaga wie z. B. die des Mentors oder Herolds, eines Gestaltwandlers oder eines Schwellenhüters einnehmen. Auf diese Weise können neue Einblicke auf die eigene Lebensreise und vielleicht überraschende – hoffentlich positive – Erkenntnisse gewonnen werden. Im Märchen soll sich final alles in Wohlgefallen auflösen, damit es zum Schluss heißen kann: Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. (Michael Vosatka, 28.4.2019)