Auch die politische Konkurrenz – zu sehen die oberösterreichischen SPÖ-Politiker Christian Makor und Birgit Gerstorfer – erinnert das Gedicht an NS-Propaganda.

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Das rassistische "Stadtratten"-Gedicht, das von der FPÖ Braunau verteilt worden war, führte zu empörten Reaktionen. Sein Verfasser, der bisherige Vizebürgermeister von Braunau, trat zurück und auch aus der Partei aus; für die Oppositionsparteien ist dieser Schritt noch immer nicht ausreichend.

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Doch warum wühlt das in simpler Reimform gehaltene Gedicht eigentlich so viele Leser auf? DER STANDARD hat den Publizistik-Professor Fritz Hausjell (Uni Wien), der sich mit Propagandaforschung auseinandersetzt, und die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl um eine Einschätzung gebeten.

Die "Ungeziefer"-Ebene

"Immer, wenn man Menschen mit Tieren, mit Ungeziefer vergleicht, ist Feuer am Dach", sagt Fritz Hausjell. "Wir haben eine Geschichte, die eng in Verbindung mit Tiervergleichen steht. Dass sich der Autor selbst als Ratte bezeichnet, ist ein billiger Trick. Auch nach 1945 gab es immer wieder derartige Rhetorik, die sprachlich sehr aggressiv ist."

Theorie der Vermischung

"Wenn sich der Autor solche irrationalen Ängste um die Reinheit der Sprache macht, würde ich ihm eine Einführungsvorlesung in Sprachwissenschaften empfehlen", sagt Hausjell. "Hier schwingt einerseits mit, dass die eigene Kultur höher stehen würde; aber dann würde sie ja wohl auch etwas 'aushalten'. Klar ist aber ohnehin, dass Kultur und Sprache immer in Bewegung sind, dass sie nichts Fixes sind."

Ratte mit Monokel, Hut und Bart

"Warum wählt man hier eine Ratte, die als Mann zu Beginn des 20. Jahrhunderts gezeichnet wird?", fragt die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl angesichts der einem Wasserzeichen ähnelnden Karikatur hinter dem Text. "Mit Monokel, Bart und Hut liegt hier eigentlich eine klassisch antisemitisch konnotierte Darstellung vor. Dazu kommt der Titel 'Nagetier mit Kanalisationshintergrund', was natürlich eine Verächtlichmachung des Wortes 'Migrationshintergrund' darstellt."

Jovial und niederträchtig

Der Tonfall des Gedichts erinnert Strobl "an Faschingsansprachen", bei denen "kein geschliffenes Versmaß" vorherrsche, sondern man das "Kameradschaftliche" mit "Zwinkern" spüre. Dieses Joviale ist für Strobl "auch die Sprache des Nationalsozialismus". Hausjell verweist auf den "Krone"-Dichter Wolf Martin, der auch "einige Grauslichkeiten" publiziert hat. Politische Gedichte gebe es aber auch von links, so Hausjell. (Fabian Schmid, 23.4.2019)