Gut 1.000 Kilometer der Nord-Stream-2-Pipeline durch die Ostsee sind bereits verlegt, rund 200 Kilometer fehlen noch. Die Kritik an dem Projekt wird lauter.

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Die Bandagen, mit denen um eine neue Gasverbindung aus Russland nach Europa gekämpft wird, werden härter. Nun droht die Gesellschaft, die hinter der Ostseepipeline Nord Stream 2 steht und dem weltgrößten Gasunternehmen Gazprom gehört, der EU mit einer Klage vor einem internationalen Schiedsgericht. Der Grund: Diskriminierung.

Nord Stream 2 wird über weite Strecken parallel zu der im Spätherbst 2011 in Betrieb genommenen Pipeline Nord Stream 1 verlegt und soll im Endausbau ebenfalls 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus russischer Produktion zu Abnehmern in Europa bringen. Die Verbindung ist insbesondere in Osteuropa umstritten, da Länder wie die Ukraine, aber auch Polen um Transiteinnahmen fürchten.

OMV als Finanzinvestor

Die OMV ist wie vier andere europäische Energiekonzerne als Finanzinvestor beteiligt. Der österreichische Mineralölkonzern hat für den Bau von Nord Stream 2 bereits mehr als eine halbe Milliarde Euro lockergemacht und rechnet sich Chancen aus, dass ein Teil der Gasmenge, die im ostdeutschen Küstenort Lubmin anlandet, bis zum Gasknoten Baumgarten an der österreichisch-slowakischen Grenze weitergeleitet wird.

Die EU hat nach langem Tauziehen kürzlich eine Änderung der gemeinschaftlichen Gasrichtlinie beschlossen. Demnach unterliegen auch Pipelines aus Drittstaaten künftig EU-Regeln. Das stößt Russland sauer auf. Der Betrieb der Leitung sowie die Befüllung mit Erdgas müssten den neuen Regeln zufolge strikt getrennt werden (Unbundling). Die Nord Stream 2 AG, die ihren Sitz in Zug in der Schweiz hat, aber mehrheitlich der russischen Gazprom gehört, hat bei diesem Projekt beides in der Hand.

Brief an Juncker

Durch diese Regelung würde die Nord Stream 2 AG als Investor diskriminiert, schreibt Geschäftsführer Matthias Warnig in einem an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerichteten Brief. Dieser datiert vom 12. April und wurde vom Magazin Politico ausgehoben.

Die EU-Richtlinie gilt grundsätzlich für alle Gasleitungen aus Drittstaaten. Für bestehende Pipelines können Ausnahmen gemacht werden. Nord Stream 2 werde bei Inkrafttreten der überarbeiteten Direktive zwar voraussichtlich noch nicht betriebsfähig, aber "im Wesentlichen fertiggestellt sein", formuliert Warnig in dem Schreiben. Das Projekt müsse daher für eine Ausnahmeregelung infrage kommen.

Nach Angaben der Betreibergesellschaft sind bisher gut 1000 der insgesamt 1230 Kilometer langen Leitung durch die Ostsee verlegt. Ende 2019 soll erstes Gas durch die knapp zehn Milliarden Euro teure Röhre strömen.

Kritik von grüner Seite

Sollte es doch keine Ausnahmeregelung für die Leitung geben, will die Nord Stream 2 AG jedenfalls Klage einbringen. Das Schreiben von Warnig ist eine "Mitteilung über Streitigkeiten an die EU" im Rahmen des Energiecharta-Vertrags, einem internationalen Abkommen, das Regeln für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Energiewirtschaft einschließlich Investitionsschutz festlegt. Sowohl die Schweiz, wo Nord Stream 2 ihren Sitz hat, als auch die EU haben den Vertrag unterzeichnet.

Kritik kommt von den Grünen. "Die angedrohte Klage der Betreiber von Nord Stream ist vollkommen inakzeptabel. Hier zeigt sich, wie privilegierte Konzernklagsrechte gegen demokratisch zustande gekommenes EU-Recht in Stellung gebracht werden", sagte Grünen-Chef Werner Kogler, der auch Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahlen ist, dem STANDARD. Die österreichische Bundesregierung sei im Sinne einer verstärkten Unabhängigkeit von der russischen Gazprom gefordert, ihren Einfluss bei der OMV geltend zu machen und die angedrohte Klage gegen die EU zu stoppen.

EVP-Kandidat Weber will Projekt stoppen

"Es geht auch hier um die Frage: Fossil oder Erneuerbare. Europäische Regelungen, denen auch von der österreichischen Bundesregierung zugestimmt wurden, müssen daher auch unbedingt für das fossile Projekt Nord Stream gelten", forderte Kogler.

Ein kalter Wind bläst Nord Stream nicht nur aus den USA entgegen. Zuletzt hat der Spitzenkandidat für die Europawahlen der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), angekündigt, das Bauvorhaben zu stoppen, sollte er neuer EU-Kommissionspräsident werden. (Günther Strobl, 24.4.2019)