Kämpfer einer Miliz, die die libysche Hauptstadt Tripolis vor der Offensive General Khalifa Haftars verteidigt, bereiten Munition vor.

Foto: APA/AFP/MAHMUD TURKIA

Seit drei Wochen wird nun gekämpft, mit wechselnden Gewinnen und Verlusten beider Seiten.

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Drei Wochen ist die Offensive von General Khalifa Haftar auf Tripolis alt – und sicher ist nur, dass sein erstes Kalkül, die libysche Hauptstadt rasch unter seine Kontrolle zu bringen, nicht aufgegangen ist. Haftar, der starke Mann Ostlibyens, war in dieser Hinsicht erfolgsverwöhnt: Ein wichtiger Teil des Südens- vor allem das größte Ölfeld Libyens, al-Sharara – fiel ihm zu Beginn des Jahres fast ohne Gegenwehr zu, weil es ihm gelang, lokale Kräfte auf seine Seite zu ziehen.

In Tripolis trat dieser Effekt nicht ein. Die sonst zerstrittenen Milizen, an deren Gängelband die von der Uno legitimierte Regierung von Premier Fayez al-Sarraj hängt, traten geschlossen zur Verteidigung der Hauptstadt an. Bei Gefechten und Bombardements starben laut Uno seither etwa 270 Menschen, vorwiegend Kämpfer; mehr als 30.000 Zivilisten mussten fliehen. Dramatisch ist auch die Situation für die in Tripolis untergebrachten Flüchtlinge und Migranten.

Erfolge beziehungsweise Misserfolge der beiden kämpfenden Seiten scheinen sich abzuwechseln, wenngleich am Mittwoch die Sarraj-Kräfte meldeten, die Truppen Haftars im Südwesten der Stadt auf 60 Kilometer Distanz zurückgedrängt zu haben. Die NLA (Nationale Libysche Armee) Haftars kündigte jedoch gleichzeitig eine neue Offensive an.

Feldmarschall?

Von ihrem Namen sollte man sich nicht irreleiten lassen, auch sie ist keine reguläre Armee, wenngleich hier die Gruppen untereinander etwas mehr Kohäsion als die westlibyschen haben. Und obwohl ihm der Titel nur in Ostlibyen verliehen wurde, wird auch in westlichen Medien Haftar nun vermehrt als Feldmarschall bezeichnet. General war der 75-Jährige unter Muammar al-Gaddafi in den 1980er-Jahren im Tschad-Krieg, bevor er sich mit ihm überwarf, in die USA ging und mit dem CIA zusammenarbeitete.

Aus den USA kam zuletzt auch eine bedeutende politische Aufwertung Haftars: Den Beginn der Offensive auf Tripolis hatte US-Außenminister Mike Pompeo noch zur Aufforderung der "höchsten Ebene der US-Regierung" an Haftar veranlasst, die Militäroperation sofort einzustellen. Diese "höchste Ebene" meldete sich vergangenen Freitag aber just mit dem Gegenteil zu Wort. In einem Statement gab das Weiße Haus bekannt, dass US-Präsident Donald Trump mit Haftar telefoniert habe, "um mit ihm über den Einsatz zur Terrorismusbekämpfung zu sprechen".

Haftar hat sich ja den Kampf gegen islamistische Gruppen – und die Befreiung auch Westlibyens von diesen – auf die Fahnen geheftet. Nach dieser Version handelt es sich dabei um den Muslimbrüdern nahestehende – und damit von der Türkei und Katar unterstützte – Islamisten. Haftar arbeitet dabei selbst mit einer salafistischen libyschen Gruppe, den Madkhalis, zusammen, die seinen Kampf auch religiös zu legitimieren versuchen.

Die Saudis mit im Boot

An seiner Seite gegen die "Terroristen" hat der gesundheitlich angeschlagene Haftar Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und zuletzt auch Saudi-Arabien. Dort war er unmittelbar, bevor er seinen Marsch auf Tripolis begann. Insofern ahnt man, woher Trumps Sinneswandel kommt. Er führte dazu, dass vergangenen Freitag im Uno-Sicherheitsrat sowohl die USA als auch Russland einer kritischen Libyen-Resolution eine Absage erteilten.

Auch Frankreich gehört zur Haftar-Front und blockierte schon vor zwei Wochen einen EU-Appell an den General, die Kämpfe einzustellen. Für Regierungschef Sarraj bedeutet das die Unterstützung eines "Diktators" durch Paris. Aber trotz der warnenden Stimmen, dass die Offensive Haftars Libyen in einen neuen langanhaltenden Konflikt stürzen könnte, sieht sich Sarraj gleichzeitig zunehmend isoliert: Auch der Gipfel der Afrikanischen Union am Mittwoch blieb vage und hob die "Terrorismusbekämpfung" hervor; wenig überraschend, schließlich fand er in Kairo statt.

Alle verbale Unterstützung wird aber Haftar militärisch nicht helfen: Sarraj mag politisch gescheitert sein, Haftar ist es auch. Und seine militärische Überlegenheit hat sich auf alle Fälle als Illusion erwiesen.

Allerdings könnten sich Ägypten und die VAE durch den US-Seitenwechsel ermutigt fühlen, auf seiner Seite direkt in den Konflikt einzugreifen. Im Mittelmeer kreuzen zum ersten Mal seit 2016 auch wieder zwei große US-Flugzeugträger – wobei das als Antwort auf zunehmende russische Aktivitäten verstanden wird.

Kämpfer einer Miliz, die die libysche Hauptstadt Tripolis vor der Offensive General Khalifa Haftars verteidigt, bei der Vorbereitung von Munition. Seit drei Wochen wird nun gekämpft, mit wechselnden Gewinnen und Verlusten beider Seiten. (Gudrun Harrer, 24.4.2019)