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"Die Vereinigung der Serben in einem prosperierenden Staat wäre die stabilste Lösung", sagt Milorad Dodik.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

In Bosnien-Herzegowina ist man seit vielen Jahren an aggressive nationalistische Rhetorik gewöhnt, allerdings geht es schon lange nicht nur mehr um Worte, sondern auch um Taten. So will die Regierung des Landesteils Republika Srpska nun eine Reservepolizei aufbauen. Medienberichten zufolge soll diese Polizei dafür sorgen, die "Entitätsgrenzen" – das sind die administrativen Grenzen zwischen den bosnischen Landesteilen Republika Srpska (RS) und Föderation – zu "sichern", wenn der Chef der nationalistischen Partei SNSD, Milorad Dodik, die Sezession der Republika Srpska ankündigt.

Demnach sollen bereits ab 2020 1.400 zusätzliche Polizeikräfte angestellt werden, bisher arbeiten 7.000 Polizeikräfte in der Republika Srpska. Der Gesetzesvorschlag sieht zudem vor, dass Polizisten aus anderen Staaten angestellt werden und "undercover" arbeiten könnten. Das erinnert viele an die Paramilitärs, die im Krieg hier Schrecken verbreiteten. Für Ängste hat zudem gesorgt, dass die Polizei der Republika Srpska 2017 mit 2.500 automatischen Langwaffen – ähnlich jenen, die eine Armee hat – ausgestattet wurden.

"Vereinigung der Serben"

Dodik, einer der bekanntesten Vertreter des völkischen Nationalismus auf dem Balkan, sagte kürzlich ganz offen, dass auf dem Balkan ein Staat für die Serben entstehen werde. Er behauptete zudem, dass der bosnische Landesteil Republika Srpska, in dem nach den ethnischen Säuberungen im Krieg heute hauptsächlich Bürger mit orthodoxen Namen leben, "bereits abgespalten" sei. Das sei nur noch nicht verkündet worden.

Den "ethnischen" Gruppen sei es nicht erlaubt worden, Grenzen zu ziehen und ihre eigenen Staaten zu bilden, sagte Dodik. "Die Vereinigung der Serben in einem prosperierenden Staat wäre die stabilste Lösung", so Dodik. "Wir haben niemanden in der Geschichte angegriffen", behauptete er, obwohl es die Armee der Republika Srpska war, die den Krieg in Bosnien-Herzegowina begonnen hatte und jahrelang Sarajevo belagerte. Dodik und seine Partei wollen die Trennung der Bürger entlang sogenannter "ethnischer" Zugehörigkeit forcieren.

Ermordung eines kritischen Geschäftsmanns

Einer, der sich dagegen aussprach, war der bekannte Geschäftsmann Slaviša Krunić, der am 22. April in der Nähe von Banja Luka in seinem Auto erschossen wurde. Erst kürzlich hatte Krunić, der eine Sicherheitsfirma und eine IT-Firma besaß, in einem TV-Interview Dodik vorgeworfen, "ethnische Spannungen zu schüren, um von Korruptionspraktiken abzulenken".

"Wir sind aufseiten jener Kräfte, die dieses Land aufbauen und nicht zerstören wollen", sagte Krunić. Er meinte weiters, dass er unter Druck geraten sei, weil er nicht nur Serben, sondern auch Kroaten und Bosniaken in seinem Unternehmen angestellt habe. Sicherheitsminister Dragan Mektić sagte, dass Krunićs Ermordung "die Unterschrift" der Mächtigen trage.

Blut-und Boden-Ideologie

Die in der Republika Srspka regierende SNSD betreibt offen Revisionismus. So berichtete die Plattform "Balkaninsight" kürzlich, dass eine Organisation, die von dem Ex-Politiker und verurteilten Kriegsverbrecher Momčilo Krajišnik angeführt wird, in den vergangenen drei Jahren mit 40.000 Euro von der Regierung der Republika Srspka gefördert wurde. Die Organisation heißt "Die Vereinigung der Erschaffer der Republika Srpska" und soll jene repräsentieren, die die Republika Srpska 1992 ausriefen. Krajišnik wurde 2009 wegen Verfolgung und Aussiedlung von Bosniaken und Kroaten in Den Haag verurteilt.

Das Parlament der Republika Srpska ehrte jedoch Krajišnik sowie den mittlerweile zu lebenslanger Haft verurteilten Radovan Karadžić und die ebenfalls verurteilte Biljana Plavšić im Oktober 2016 mit Auszeichnungen. Diese politischen Aktionen vertiefen die Spannungen in Bosnien-Herzegowina, wo im Krieg zehntausende Menschen vertrieben wurden, nur weil sie keinen orthodoxen Namen hatten. Das Ziel war damals die Schaffung eines "ethnisch gesäuberten Territoriums".

"Serbische Territorien"

Dodik sagte kürzlich, dass es sich so anfühle, als gehöre Banja Luka zu Serbien. Das Pikante ist: Dodik vertritt als Mitglied des Präsidiums den Staat Bosnien-Herzegowina, den er zutiefst ablehnt und mit allen Mitteln bekämpft. Die internationale Gemeinschaft schweigt dazu und tut so, als wäre das keiner Rede wert. Dodik behauptet, es gebe es so etwas wie "serbische Territorien" auf dem Balkan. Er redet etwa von "unserem Grund", auf dem Nichtserben leben dürften. Diese Blut-und-Boden-Ideologie, die davon ausgeht, dass eine Volksgruppe mit einem Siedlungsgebiet korrespondiere, war bereits im Krieg von 1992 bis 1995 die Basis für Massengewalt, Vertreibung und Mord an all jenen, die keine Serben waren.

Dodiks Politik liegt eine weitverbreitete Ideologie zugrunde: In einem postimperialen Denken verhaftet, meinen viele Bürger auf dem Balkan, es gehe noch immer darum, das "eigene Volk zu befreien" – wie man es früher gegenüber Österreich-Ungarn oder dem Osmanischen Reich vorhatte. Die anderen Volksgruppen rundherum – die eigentlich Religionsgruppen, aber keine ethnischen Gruppen sind – werden heute in diesem Sinne als Einheiten gesehen, von denen man sich abgrenzen sollte, um diese imaginäre Befreiung des eigenen "Volkes" zu erreichen.

Großartigkeit des "Volkes"

Dabei wird eine innere Verbundenheit der eigenen Gruppe imaginiert und so getan, als sei diese Gruppe über ein gemeinsames Geschichtsverständnis homogen. Die Geschichte wird quasi als Legitimationsquelle für die vorgestellte Eigenart und Besonderheit verwendet.

Bei dieser Vorstellung von Freiheit geht es nicht um individuelle Entwicklungsmöglichkeiten von Bürgern, um Rechte gegenüber dem Staat, um Transparenz staatlicher Autorität, um Fairness oder Verteilungsgerechtigkeit, sondern um eine emotionale Selbstbestätigung, die durch die vorgestellte Größe des eigenen "Volkes" erreicht werden soll. Diese vorgestellte Großartigkeit wird aber auch im Negativen betont – es wird etwa oft behauptet, dass man von den anderen beleidigt oder verhöhnt werde, um so den Zusammenhalt der Gruppe zu verstärken und die "Reihen zu schließen".

Vorherrschende Ideologie

Die allermeisten Bürger glauben durch diese vorherrschende Ideologie und jahrzehntelange Propaganda tatsächlich, dass es sehr wichtig sei, irgendeiner sogenannten Volksgruppe anzugehören. Die Nationalisten, die diese Ideologie weitertragen und damit seit Jahrzehnten Wahlen gewinnen, machen die Menschen glauben, dass das Ziel der "Befreiung des Volkes" erst dann erreicht sei, wenn das Volk in einem Staat zusammenlebt. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 25.4.2019)