FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf dem Tiroler Landesparteitag im April.

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Aber, aber! Das Burgenland! Und Linz! So tönt es derzeit aus der ÖVP, wenn die Sozialdemokratie die türkise Koalition mit der FPÖ bekrittelt. Es stimmt ja: So glaubwürdig ist die Sozialdemokratie mit der Forderung nach einer Isolation der Freiheitlichen nicht, wenn sie gleichzeitig mit ihr auf Länder- und Kommunalebene Partnerschaften unterhält.

Da Wahlkampf ist, erlaubt sich dann der eigene Spitzenkandidat Andreas Schieder (SPÖ) Kritik an den Genossen: Eine Koalition mit der FPÖ ginge eigentlich nirgendwo, sagte er am Mittwoch sinngemäß in der "ZiB 2". Doch wie so oft in der Politik ist alles ein bisschen komplizierter, als es die Parolen der Politiker glaubhaft machen wollen – und das gilt sowohl für die SPÖ als auch für die ÖVP.

Der reflexhafte Ausschluss einer derart großen Partei wie der FPÖ ist auf Dauer nicht möglich – mit Blick auf die Welle an Skandalen muss man fast hinzufügen: leider. Aber die realpolitischen Verhältnisse in Österreich sorgen für ein ungesundes Patt. Die einzig mögliche Zweierkoalition ohne FPÖ wäre eben die sogenannte große Koalition mit zwei Partnern, die miteinander spinnefeind sind und sich das Land ohnehin in den meisten der vergangenen Jahrzehnte untereinander aufgeteilt haben. In den Dreierkoalitionen gäbe es immer einen kleinen Partner, der Schwierigkeiten bekäme – die Neos als Teil einer linken rot-grünen Regierung; oder umgekehrt die Grünen als soziales Feigenblatt einer neoliberalen ÖVP-Neos-Koalition.

Frustrierender Stillstand

Ein ähnliches Bild ergibt sich vielfach auch auf Länderebene, sofern dort nicht ohnehin ein Proporzsystem vorherrscht, das der FPÖ Regierungsämter beschert. Der Cordon sanitaire rund um die Blauen führt oft zu frustrierendem Stillstand. Das heißt im Gegenzug aber nicht, dass man die Freiheitlichen bedenkenlos an einer Regierung beteiligen sollte. Es kommt auf das Was, Wie, Wo und Wen an.

Da ist dann erstens einmal die oppositionelle Kritik an der Bundesregierung sehr wohl berechtigt. Fast die gesamte bewaffnete Staatsmacht wird von freiheitlichen Ministern gemanagt, dazu vertritt Karin Kneissl Österreich auf einem FPÖ-Ticket nach außen. Mit dem Sozialministerium hat die FPÖ außerdem einen Hebel, um ihrer spaltenden Agitation gegen Arme und Flüchtlinge Taten folgen zu lassen, ebenso im Asylbereich durch Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).

Zweitens kommt es auf die nominierten Personen an. Der burgenländische Vizelandeshauptmann Johann Tschürz (FPÖ) bleibt relativ skandalfrei, während der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) untragbar geworden ist. Hier muss man auch der SPÖ Vorwürfe machen: Die Aktivitäten der Linzer FPÖ, vor allem ihre Verflechtung mit Identitären, würden genug Gründe liefern, um das "Arbeitsübereinkommen" in der oberösterreichischen Landeshauptstadt zu beenden.

Realpolitisches Patt

Drittens sollten sich alle Parteien überlegen, wie sich das realpolitische Patt auflösen lässt. Minderheitsregierungen haben hierzulande keine Tradition, könnten aber befreiend wirken. Sie wären auch eine Chance, den Fokus verstärkt auf die sachpolitische Ebene zu lenken.

Denn eines ist klar: Mit einer derart skandalgeplagten FPÖ, wie sie derzeit zu sehen ist, ist auf Dauer kein Staat zu machen – ganz ohne sie aber auch nicht. Das ist das österreichische Dilemma – das sich auch nicht lösen wird, wenn sich SPÖ und ÖVP gegenseitig noch so oft FPÖ-Nähe vorwerfen. (Fabian Schmid, 25.4.2019)