Einfüllstutzen neben dem Treibstofftank gibt es erst bei den neuesten Dieselwagen. Früher waren sie im Kofferraum versteckt.

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Wien – Das EU-Kartellverfahren gegen die Autokonzerne Volkswagen, Audi, Porsche, Daimler und BMW bekommt Ausläufer in Österreich. Zu Sammel- und Schadenersatzklagen kommt nun eine Anzeige wegen Verdachts des Betrugs und der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Denn die Liste Jetzt hat die Autokonzerne und (Ex-)Manager nach Verbandsverantwortlichkeitsgesetz angezeigt.

Anlass sind die Anfang April von der EU-Kommission verkündeten Ermittlungen, wonach sich die deutschen Autobauer bei Technologien zur Abgasreinigung jahrelang abgesprochen und so Innovationen verhindert hätten. Die Deals umfassten die verzögerte Einführung von Feinstaub-Partikelfiltern für Benzinmotoren (OPF) ebenso wie SCR-Katalysatoren für Selbstzünder und das Fassungsvermögen sogenannter Ad-Blue-Behälter, also der Kanister im Kofferraum für die Harnstofflösung für die Abgasreinigung.

Zu kleine AdBlue-Tanks

Mit dem Ergebnis: In Dieselautos wurden (zu) kleine Ad-Blue-Tanks eingebaut und das Einspritzen der Harnstofflösung wurde stark reduziert, damit die Kfzs möglichst lang auskamen – zumal das Nachfüllen der klebrigen Flüssigkeit im Kofferraum mühsam ist. Aus dem Dieselskandal belegt ist: De facto wurde Harnstoff in ausreichendem Maße lediglich während des Verfahrens auf dem Prüfstand beigemischt. "An der Gesundheit geschädigt sind sohin sämtliche in Österreich auffällige Personen, und auch die Umwelt wurde vorsätzlich geschädigt", heißt es in der Sachverhaltsdarstellung, die dem STANDARD vorliegt.

Das Software-Update nach dem Dieselskandal ändert daran im Realbetrieb übrigens nicht viel. Wohl wurde dadurch die Ad-Blue-Einspritzmenge erhöht, aber nicht ausreichend für eine vollumfängliche Abgasreinigung. "Die Käufer von Fahrzeugen mit zu klein dimensionierten Ad-Blue-Tanks haben durch die Kartellabsprachen einen Schaden erlitten", attestiert der von der Liste Jetzt beauftragte Rechtsanwalt Michael Poduschka.

Jahrelange Verfahren

Das freilich gilt es erst zu beweisen. Die Autobauer haben nun zehn Wochen Zeit, zu den Vorwürfen der EU-Kommission Stellung zu nehmen, danach entscheidet die Kommission. Einsprüche der Konzerne – mit Ausnahme der Kronzeugen, als die sich Daimler und Volkswagen angedient haben – beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg sind somit programmiert. Erst im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung können geschädigte Fahrzeughalter auf dem Zivilrechtsweg Schadenersatz begehren. Dass dabei ein Jahrzehnt ins Land ziehen kann, zeigt das Aufzugskartell eindrücklich: Beim Aufzugskartell prozessieren Geschädigte wie Wiener Linien und Wohnhausbesitzer seit Jahren. (Luise Ungerboeck, 26.4.2019)