Soldaten schützten am Freitag Kirchen und Moscheen in Sri Lanka. Geistliche des Islam und des Christentums riefen ihre Gläubigen dennoch auf, zu Hause zu bleiben.

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Colombo – Nach den schweren Anschlägen vor knapp einer Woche ist die Stimmung in Sri Lanka noch immer sehr angespannt. Kardinal Malcolm Ranjith christliche Priester auf, keine Gottesdienste abzuhalten. Es drohten weitere Anschläge, teilte er mit.

Der Dachverband der Muslime auf der Insel rief seine Mitglieder am Donnerstagabend auf, am Freitag nicht in die Moscheen zu gehen, sondern zu Hause zu beten. Es sei wichtiger, "die Familie und das Eigentum" zu schützen, als das Haus am Freitag zum Gebet zu verlassen. Die muslimische Gemeide befürchtet weitere Vergeltungsaktionen für die Attentate mutmaßlicher Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und lokaler islamistischer Gruppen vom Ostersonntag auf christliche Kirchen.

Zuletzt war es schon zu mehreren Brandanschlägen auf Moscheen gekommen. Außerdem hatten die Radikalislamisten offenbar auch gedroht, Moscheen der Sufisten anzugreifen, die einen beträchtlichen Teil der sri lankischen Muslimen ausmachen. Diese betrachten die radikalen als Feinde, weil sie anderen Religionen gegenüber tolerant seien.

Sprengstoffwesten gefunden

In einem Wohnhaus in Sri Lanka haben Polizei und Armee mehrere Sprengstoffwesten sowie Materialien zur Herstellung von Bomben gefunden. Nach der Razzia am Freitagabend (Ortszeit) im Ort Sammanthurai im Osten des Inselstaates gab es dort zudem drei Explosionen und eine Schießerei, wie die Polizei mitteilte. Die Details waren zunächst unklar.

Sieben junge Muslime seien festgenommen worden, hieß es von der Polizei. Fernsehbilder zeigten eine Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat, die auch in dem Haus gefunden worden sein soll. Dies bestätigte die Polizei zunächst nicht. Der Ort befindet sich nicht weit von der Stadt Batticaloa, wo am Ostersonntag eine Kirche angegriffen worden war.

"Rechenfehler" bei Totenzahl

Die Ratlosigkeit der Behörden zeigt auch eine andere Meldung vom Donnerstag: Wegen "Rechenfehlern" wurde die Zahl der Toten von 359 auf 253 korrigiert. Offenbar waren zahlreiche Tote wegen der körperlichen Versehrtheit doppelt gezählt worden. Erst Freitagfrüh bestätigte Präsident Maithripala Sirisena auch offiziell, worüber Medien schon seit Tagen schrieben: Ein mutmaßlicher Hintermann der Attentate, Zahran Hashim, hat selbst einen der Selbstmordanschläge durchgeführt. Der Anführer der Islamistengruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) sei beim Anschlag auf das Hotel Shangri-La gestorben.

Und auch in der Innenpolitik Sri Lankas ist das Chaos noch immer groß. Die Behörden des Landes stehen unter massiven Druck, weil es im Vorfeld sehr konkrete Warnungen eines "befreundeten Nachrichtendienstes" vor islamistischen Anschlägen auf Kirchen gegeben hatte, die sogar die Namen einiger späterer Attentäter enthielten. Dem Vernehmen nach waren es konkret Warnungen aus Indien, die auf dem Verhör eines indischen Anhängers des IS beruhten. Konkrete Schritte, um Anschläge zu verhindern, setzen Sri Lankas Behörden aber nicht. Wie es Freitagfrüh hieß, ist deshalb nun der Polizeichef zurückgetreten, führenden Geheimdiestlern soll nach dem Wunsch Präsident Sirisenas der Prozess gemacht werden.

Streit in der Regierung

Der Staatschef machte in seiner Ansprache am Freitag nun den Premier Ranil Wickremesinghe für das Behördenversagen verantwortlich, dessen Minister "zu viel Zeit dafür verwenden, Militärs zu verfolgen" und zu wenig für die Sicherheit der Menschen zu sorgen. Sirisena meine damit die Bemühungen der Regierung, schwere Menschenrechtsverbrechen in den letzten Tagen des ethnisch gefärbten sri lankischen Bürgerkriegs zwischen Regierung und den separatistischen Tamilischen Tigern aufzuklären. Deutlich mehr als 10.000 Zivilisten aus Enklaven der LTTE werden seither vermisst, sie waren zumindest Teils Opfer schwerer Kriegsverbrechen geworden. Sirisena war damals Verteidigungsminister unter Präsident Mahinda Rajapaksa gewesen, Wickremesighe Teil der Opposition.

Erst im Jahr 2015 hatte sich Sirisena von Rajapaksa losgesagt. Er kandidierte gemeinsam mit der Opposition gegen den damaligen Präsidenten und gewann. Ende 2018 folgte der Bruch: Sirisena versuchte Premier Wickremesinghe durch Rajapaksa zu ersetzen, dieser Plan wurde aber vom Höchstgericht gestoppt. Die folgende Spaltung der Regierung hatte nach Ansicht vieler Experten auch Folgen für die Fähigkeit der Behörden, Verbrechen zu verfolgen oder zu verhüten. (Manuel Escher, 26.4.2019)