Zur ihrer Zeit im ORF hätte es so etwas nicht gegeben: Ursula Stenzel – im Bild mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Jänner 2017 in Salzburg – stößt sich an der Interviewführung von Armin Wolf.

Foto: APA/Barbara Gindl

Wien/Paris – Empört über das Interview Armin Wolfs mit FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky zeigt sich die nichtamtsführende Wiener Stadträtin Ursula Stenzel (FPÖ) auf oe24.tv. Es sei "ungeheuerlich, ein Thema in einer Form zu bringen, die der FPÖ NSDAP- und 'Stürmer'-Nähe unterstellt", sagt Stenzel. Mit einem "solchen Verhörton" könne Wolf "ja in einem Volksgerichtshof auftreten".

Der Volksgerichtshof wurde in Deutschland 1934 als Sondergericht zur Aburteilung von Hoch- und Landesverrat gegen den NS-Staat in Berlin eingerichtet. Stenzel sagte auch: "Für mich hat Armin Wolf gewirkt ... Wenn man Büchners 'Dantons Tod' kennt, dann ist das der Saint-Just, der Danton über die Klinge springen ließ. Er wurde dann übrigens selbst guillotiniert."

Als sie beim ORF begonnen habe, hätte sie "so etwas – egal unter welchen Generalintendanten – nicht überlebt", meint die ehemalige "ZiB"-Moderatorin. Sie begann in den 70er-Jahren beim ORF und wechselte 1996 in die Politik, wo sie zunächst EU-Mandatarin und Bezirksvorsteherin der ÖVP war und 2015 zur FPÖ übertrat.

Armin Wolf kommentierte Stenzels Vergleich auf Twitter so: "Mir verschlägt's nicht oft die Sprache, aber dazu fällt mir jetzt echt nichts mehr ein ..."

Update: Heinz Fischer in der "ZiB 2"

Altbundespräsident Heinz Fischer kritisierte Stenzels Aussage: diese sei "auch sehr arg", meinte er im "ZIB 2"-Interview, "Das darf eigentlich nicht passieren". Er wolle keine Mahnungen aussprechen, aber: "Jeder, der etwas aus der Geschichte gelernt hat, wird das nicht akzeptieren, sondern verurteilen."

Update mit Stellungnahmen der Parteien

Der Wiener Neos-Klubobmann Christoph Wiederkehr forderte am Freitag den sofortigen Rücktritt Stenzels. Für ihn stellt deren Aussage eine "absolute Grenzüberschreitung" dar, sagte er der APA: "Einen kritischen Journalisten mit einem NS-Gericht zu vergleichen ist unerhört." Hier handle es sich um einen Angriff auf die Pressefreiheit: "Das kann nur bedeuten, dass sie zurücktritt."

Als "erschreckend" bezeichnet die SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur, Sabine Schatz, Stenzels Vergleich. Sie fordert deren sofortigen Rücktritt von allen politischen Funktionen: "Eine ehemalige Journalistin, ÖVP-Europapolitikerin und von Steuergeldern finanzierte Stadträtin verhöhnt die Opfer des NS-Regimes und greift einen Journalisten in unglaublicher Art und Weise an. Das ist einer Demokratie nicht würdig. Treten Sie zurück", so Schatz.

Wiens FPÖ hat am Freitag die Rücktrittsforderungen zurückgewiesen. "Wir sehen unsere politische Mission nicht darin, Wünsche von Kleinstparteien zu erfüllen", sagte Landesparteisekretär Michael Stumpf in einer Stellungnahme.

Update: Gewerkschaft sieht Grenze überschritten

Die Gewerkschaft hat am Freitag den ORF gegen die Kritik der FPÖ in Schutz genommen. "Irgendwann ist der Bogen überspannt", betonte Barbara Teiber, Chefin der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), in einer Aussendung. Wie einzelne FPÖ-Politiker seit geraumer Zeit Journalisten des ORF attackierten, sei "verheerend und demokratiepolitisch höchst bedenklich".

Ähnlich sah das Gerhard Moser vom GPA-djp-Wirtschaftsbereich ORF und Töchter. "Inzwischen liegt eine ganze Liste von demokratiepolitisch bedenklichen und bedrohlichen Ausritten von FPÖ-Politikern gegen den ORF und seinen Mitarbeiter vor, die man weder einem Wahlkampf noch einem 'persönlich-politischen Naturell', sondern schlicht einer Taktik zuschreiben kann, die den unabhängigen Journalismus und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Lande sturmreif schießen will", meinte er. (APA, red, 26.4.2019)