Innsbrucks FPÖ-Chef Rudi Federspiel gefällt sich in der Rolle des Züngleins an der Waage.

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Innsbruck – Die geplante Änderung des Innsbrucker Wahlrechts musste auf Eis gelegt werden. Bürgermeister Georg Willi (Grüne) nahm die Abstimmung darüber am Donnerstagabend kurzfristig von der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung. Grund war die plötzliche Weigerung der FPÖ, wie vereinbart mitzuziehen. Der Gesinnungswandel rührte aber nicht etwa daher, dass die Freiheitlichen die umstrittene Vierprozenthürde ablehnen. Stadtparteiobmann Rudi Federspiel verlangt vielmehr, auch das Listenkoppeln in Innsbruck zu verbieten.

Doch das träfe wiederum die ÖVP, die mit den Grünen, der SPÖ und Für Innsbruck (FI) die Viererkoalition in der Tiroler Landeshauptstadt bildet. Listenkoppeln heißt, dass sich eigenständig antretende Listen nach der Wahl zusammentun, um so ihre Stimmen und ihre Mandatszahl zu vergrößern. Dieses Tiroler Spezifikum nutzt vor allem die ÖVP auf kommunaler Ebene für sich. Meist treten Listen an, die sich um spezielle Zielgruppen wie Senioren oder Bauern bemühen, in Wahrheit aber zur Partei gehören. In Innsbruck tut das etwa der Seniorenbund, der einen Mandatar im Gemeinderat hat. Er ist dort praktisch der ÖVP zuzurechnen und agiert auch so.

Listenkoppeln für ÖVP wichtig

Die FPÖ-Forderung birgt Zündstoff, denn würde man das Listenkoppeln in Innsbruck verbieten, könnte sich andere Tiroler Gemeinden dem anschließen wollen. Der Gemeindeverband hatte im Vorfeld der Abstimmung über die Vierprozenthürde in Innsbruck bereits gewarnt, dass dies als Ungleichbehandlung gewertet werden und somit landesweit Folgen nach sich ziehen könnte. Die letzte Entscheidung über die Wahlrechtsänderung liegt beim Landtag. Doch die auf Landesebene regierende schwarz-grüne Koalition steht den Innsbrucker Plänen angesichts der möglichen Folgen wohl mit gemischten Gefühlen gegenüber.

Somit geht das Tauziehen um eine Wahlrechtsreform – zuletzt war ein solcher Versuch 2016 gescheitert – in der Statutarstadt Innsbruck weiter. Wie berichtet hatte die seit 2018 regierende Viererkoalition unter Führung des grünen Bürgermeisters Willi kürzlich einen neuen Vorstoß gewagt. Man einigte sich mit der ebenfalls im Stadtsenat vertretenen FPÖ auf die Einführung einer Vierprozenthürde. Auch die Neos, mit zwei Mandatarinnen im Gemeinderat vertreten, hatten dafür ihre Zustimmung signalisiert.

Angriff gegen Kleinparteien

Diese Maßnahme richtet sich gegen die drei seit der letzten Wahl 2018 im Gemeinderat vertretenen Ein-Mann-Fraktionen Liste Fritz, Ali und Gerechtes Innsbruck – der Seniorenbund hat auch ein Mandat, koppelt aber wie gesagt mit der ÖVP. Ali kann als grüne Abspaltung gewertet werden, Gerechtes Innsbruck ist ein blauer Klon, während die Liste Fritz ihre Wurzeln in der ÖVP hatte.

Man wolle mit der geplanten Hürde eine "Zersplitterung" des Stadtparlaments verhindern, lautet die Begründung der etablierten Parteien. Sie warfen den Einzelkämpfern zudem vor, ihr Mandat in erster Linie "zur Selbstdarstellung" zu missbrauchen. Die Kleinen wiederum sprechen von "Demokratiegefährdung" und "politischer Willkür". Sie vermuten Angst der Großen um Wählerstimmen als Motiv. Denn die kleinen Listen fischen in deren Wählerteich.

FPÖ als Zünglein an der Waage

Dass die Grünen, die auf nationaler Ebene erst 2017 an einer solchen Prozenthürde gescheitert waren, nun einen solchen Vorschlag forcierten, stieß auf heftige Kritik und Verwunderung. Bisher galt in Innsbruck das Erreichen der geltenden Wahlzahl, die zuletzt bei rund 1.200 Stimmen lag, als Hürde für den Einzug ins Stadtparlament. Nun soll die geplante Wahlrechtsreform nachverhandelt werden.

Federspiel bestätigt gegenüber dem STANDARD, nicht von seiner Forderung abrücken zu wollen. Denn er weiß, ohne die acht Stimmen der FPÖ kann die Vierprozenthürde den Gemeinderat nicht passieren. Für eine solche Änderung des Wahlrechts müssen bei der Abstimmung mindestens drei Viertel aller 40 Mandatare anwesend sein. Die FPÖ hält acht Sitze, die drei Kleinfraktionen je einen, das ergibt elf Stimmen. Wer sich bei der Abstimmung enthält, was die FPÖ bereits angekündigt hat, gilt als nicht anwesend. Somit würde der grün-rot-gelb-schwarzen Koalition genau eine Stimme fehlen. (Steffen Arora, 26.4.2019)