Es war eine Woche der sprachlichen Überdehnung, ja, Grenzüberschreitungen durch FPÖ-nahe Personen, die der ÖVP-FPÖ-Koalition im Kanzler- und Vizekanzleramt ein gehöriges Maß an Post-Message-Control abverlangten. Es gab einiges aufzuräumen und auszuräumen.
Begonnen hat alles mit einem gedichteten "Ostergruß" der FPÖ Braunau. Das gereimte Opus des dortigen Vizebürgermeisters Christian Schilcher unter dem Titel "... die Stadtratte. Nagetier mit Kanalisationshintergrund" sollte in der Folge als "Gedicht" in die Geschichte der 17. Woche des Jahres 2019 eingehen.
Schilcher hatte darin über ein paar der freiheitlichen Leib- und Magenthemen schwadroniert – und sich in nationalsozialistisch vermintes Andeutungs- und Anspielungsgebiet verirrt. Heimat, Kultur und Sprachen und – besonders ungern gesehen aus FPÖ-Sicht – deren Vermischung galt es rhetorisch für das geneigte lokale Publikum der FPÖ "lustig" oder vermeintlich satirisch zu behandeln.
Viele, sehr viele Menschen fanden den historisch belasteten Vergleich zwischen Menschen und Ratten aber gar nicht lustig, sondern vielmehr verhetzend und rassistisch. Der blaue Hobbydichter von Braunau hatte Sätze wie die folgenden geschrieben und für Empörung gesorgt:
Oder, eine andere Sicht aus Sicht der "heimischen Ratte":
Das war für die amtierende ÖVP-FPÖ-Regierung mehr als geschäftsschädigend. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zog denn auch sofort eine klare Linie und verlangte von der FPÖ eine Distanzierung und Klarstellung.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache kam dem nach und richtete seinem Braunauer Parteikollegen aus:
Schilcher selbst entschuldigte sich für sein "Gedicht", sollte es "Menschen verletzt oder beleidigt" haben. Er habe damit provozieren, aber nicht beleidigen wollen.
Das genügte aber nicht, um diese Episode politisch zu überstehen. Schilcher trat zurück – und aus der FPÖ aus. Sinnigerweise lauteten die zwei letzten Zeilen seines Being-a-Rat-Experiments so:
Den nächsten Aufreger lieferte Harald Vilimsky, EU-Spitzenkandidat und Generalsekretär der FPÖ, der das Pech hatte, am Dienstagabend in der "ZiB 2" von Armin Wolf interviewt zu werden. Dass der ORF-Anchorman sich erfrechte, Fragen zur Causa Prima, zu der das "Rattengedicht" inzwischen mutiert war, zu stellen, brachte den Freiheitlichen vor laufender Kamera offensichtlich an den Rand dessen, was Politiker für TV-Auftritte gelernt haben ... cool bleiben, ruhig und sachlich. Nein, Vilimsky setzte auf die Methode "Angriff statt Antwort".
"Es ist jenseitig, Herr Wolf, was Sie da machen", entfuhr es dem FPÖ-Politiker, der lieber nur zur EU-Wahl befragt worden wäre. Den von der "ZiB 2"-Redaktion vorbereiteten Vergleich der FPÖ-Ikonografie mit jener der antisemitischen Nazi-Wochenzeitung "Der Stürmer" fand Vilimsky mehr als unbotmäßig.
Was diesen interviewtechnischen Auffahrunfall zwischen Wolf und Vilimsky anlangt, zeigten sich dann leichte innerkoalitionäre Auffassungsdifferenzen. FPÖ-Chef Strache hatte noch in der Nacht via Facebook wissen lassen:
Dem entgegnete Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) allerdings:
In der FPÖ sehen das aber nicht alle so. Auch Vilimskys Nebenmann im blauen Generalsekretariat, Christian Hafenecker, sah im "Stürmer"-Vergleich den Beweis, "wie unterirdisch der ORF mittlerweile ist". Er tat via Twitter seine Meinung über Armin Wolf kund. Man müsse dem Journalisten "dankbar dafür sein, dass er nicht einmal versucht, sich zu verstellen".
Stichwort Richter. Vielleicht ein suboptimales. Ursula Stenzel (FPÖ) hatte dazu nämlich eigene Assoziationen.
Auf oe24.tv meinte die nichtamtsführende Wiener Stadträtin und ehemalige ORF-Moderatorin, es sei "ungeheuerlich, ein Thema in einer Form zu bringen, die der FPÖ NSDAP- und 'Stürmer'-Nähe unterstellt". Mit einem "solchen Verhörton" könne Wolf "ja in einem Volksgerichtshof auftreten".
Der Volksgerichtshof wurde in Deutschland 1934 als Sondergericht zur Aburteilung von Hoch- und Landesverrat gegen den NS-Staat in Berlin eingerichtet. Stenzel sagte auch:
An dieser Stelle sei dem Angegriffenen das letzte Wort überlassen. Armin Wolf schrieb auf Twitter:
(Lisa Nimmervoll, 26.4.2019)