Boris Palmer spricht – und erzeugt Widerspruch.

Foto: imago / Christian Ditsch

Berlin – Kritik ist er gewohnt, und Kritik hatte er offenbar auch erwartet. "Der Shitstorm wird nicht vermeidbar sein", begann ein Posting, mit dem der grüne Bürgermeister von der süddeutschen Stadt Tübingen, Boris Palmer, zu Wochenbeginn ein Posting bei Facebook einleitete. So ganz hatte sich der Politiker, der auch in Fragen der Zuwanderung schon oft gegen die Linie seiner Partei argumentiert hat, den Shitstorm aber doch nicht ausgemalt, der dann auf ihn zukam.

Palmer hatte in seinem Posting eine Werbekampagne der Deutschen Bahn kritisiert, die unter anderem mit dem schwarzen TV-Koch Nelson Müller und der Moderatorin Nazan Eckes wirbt, deren Vorfahren aus der Türkei stammen. Palmer fragte: "Welche Gesellschaft soll das abbilden?" Er finde die Auswahl der Werbesujets "nicht nachvollziehbar".

Die Reaktionen ließen in der Tat nicht lange auf sich warten: Einige User stellten nüchtern fest, dass die Kampagne schlicht die deutsche Gesellschaft so abbilde, wie sie eben sei – nämlich vielfältig. Andere warfen Palmer Rassismus vor. Wieder weitere machten sich so wie Jung-FPD-Politiker Domnik Korthaus auf Twitter über Palmer lustig, indem sie Fotomontagen des ARD-Satiremagazins "Extra 3" posteten, von denen sie annehmen, dass Palmer sich wiederfand: Alle Bahnnutzer sehen darin genauso aus wie er selbst.

Palmer selbst zog Mitte der Woche die Konsequenzen: Er legte seinen Facebook-Account vorerst still. Er wolle "bis zur Europawahl kein Risiko eingehen, dass dem Shitstom noch ein weiterer folgt", sagte der dazu der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Schließlich habe auch Parteichef Robert Habeck nach einem Shitstorm auf Twitter im Jänner sein Konto stillgelegt, um nicht erneut "missverstanden" zu werden – daran wolle er sich nun ein Vorbild nehmen.

Für die Partei war der Schaden damit aber schon entstanden: Die SPD warf den Grünen vor, Rassismus in den eigenen Reihen zu dulden: "Bei der grünen Ich-AG Boris Palmer hat Diskriminierung immer Hochkonjunktur", erklärte der baden-württembergische SPD-Generalsekretär Sascha Binder am Mittwoch. Die Grünen und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann "haben eine offene Flanke am rechten Rand".

Auch eigene Partei und Bahn üben Kritik

Auch in der eigenen Partei sorgte Palmer für Kritik. "Wir streiten lieber für pünktliche Züge und billigere Bahntickets", sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. "Wer in den Zug steigt, ist uns herzlich egal." Die Bahn sei "für alle da, und dass sie mit Vielfalt wirbt, begrüße ich". Es zeige die gesellschaftliche Realität.

Noch deutlicher wurden tags darauf Habeck und Annalena Baerbock, die gemeinsam die grüne Bundespartei führen. Palmer habe mit seinem Posting "Menschen nach äußeren Merkmalen beurteilt und die Frage, wer zu unserer Gesellschaft gehört, daraus abgeleitet. Beides ist nicht richtig." Sie ergänzten: "Boris hat eine Tür zu einem rassistischen Weltbild aufgestoßen." Diese sollte schnell wieder geschlossen werden.

Und auch die Deutsche Bahn kritisierte den Tübinger Oberbürgermeister für seine Äußerungen. "Herr Palmer hat offenbar Probleme mit einer offenen und bunten Gesellschaft", schrieb das Unternehmen auf Twitter. "Solch eine Haltung lehnen wir ab. Nico Rosberg (der neben der deutschen die finnische Staatsbürgerschaft hat, Anm.), Nazan Eckes und Nelson Müller sind positive und repräsentative Identifikationsfiguren. Die DB freut sich, mit ihnen zusammenzuarbeiten." (mesc, APA, 26.4.2019)