Für Hélène Durand (Sylvie Testud) ist ein Flüchtlingscamp etwas, mit dem man Geschäfte macht. Das ändert sich in der sechsteiligen Serie "Eden" – ab Donnerstag auf Arte.


Je mehr Flüchtlinge, desto besser ist es für Hélène Durand. Die Managerin eines privaten Flüchtlingscamps vor Athen kennt anfangs nur Zahlen. Wie können wir den Profit steigern? Mit noch mehr Camps. Wer entscheidet das? Brüssel. Also auf nach Brüssel, das Ziel ist Gewinnmaximierung.

Zur selben Zeit, am selben Ort und anderswo ereignen sich die Dramen, und von dieser Parallelität erzählt die französisch-deutsche Serie Eden von Constantin Lieb (Drehbuch) und Dominik Moll (Regie) ab Donnerstag, 20.15 Uhr auf Arte und ab 8. Mai in der ARD in sechs Teilen. Von den zwei Buben, die aus dem Camp fliehen, von den Sicherheitswärtern, die ihnen folgen, und von der Katastrophe, die dann ereignet. "Ich muss ehrlich sagen, ich wusste davor von all dem nichts", sagt Sylvie Testud, die in Eden die Rolle der Hélène Durand spielt. Damit ist sie nicht allein.

STANDARD: Glauben Sie, dass Sie mit "Eden" etwas bewirken können, Bewusstsein schaffen?

Testud: Ich weiß nicht, ob man Menschen erziehen kann. Wir machen Filme, und ich hoffe, wir können Probleme ordnen und Fragen stellen. Ich denke, die Themen sind so groß, sodass wir alle etwas verloren sind und niemand weiß, was die richtigen Entscheidungen sind.

STANDARD: Ihre Figur ist ambivalent. Sie macht Geschäfte mit notleidenden Menschen. Hat Sie das an der Rolle interessiert?

Testud: Hélène ist ein sehr guter Charakter. Sie ist zunächst ein Produkt der Finanzwelt. Man kann sich gut vorstellen, dass sie eine gute Erziehung hatte, eine gute Schule besuchte, Wirtschaft studierte. Sie ist darauf trainiert, gute Geschäfte zu machen und erfolgreich zu sein. Dann holt sie das Leben ein und bringt ihre menschliche Seite zum Vorschein.

STANDARD: Weil sie sich erstmals mit den Menschen im Camp konfrontiert und Schicksale sieht.

Testud: Wir realisieren nicht, dass sich hinter den Zahlen, den Schlagzeilen menschliche Lebewesen befinden. Genauso verhält sich Hélène Durand am Anfang. Sie managt eine Gruppe von Menschen, und sie macht es gut. Sie braucht eine gewisse Menge an Geld, damit diese schlafen und sich waschen und essen können. Sie versucht es aufzutreiben und agiert wie in jedem anderen Job auch. Aber plötzlich sind da die beiden Jungen, und das verändert ihr Verhalten grundlegend.

STANDARD: Gedreht wurde in einem Flüchtlingscamp bei Athen. Wie haben Sie das erlebt?

Testud: Unwirklich: Es ist kein Gefängnis, aber eine Grenze. Diese Menschen leben nicht wie in einem Gefängnis, aber als wir dort waren, war alles geschlossen, und wir mussten durch einen hohen Zaun und ein Tor gehen. Das Camp ist nur zu einer bestimmten Zeit geöffnet, und nur in dieser Zeit darf man raus und wieder rein. Wir waren hier, taten unseren Job, erzählten unsere Story. Wir waren das echte Leben und gingen danach. Wir sind frei, sie sind es aber nicht wirklich.

STANDARD: Welche Erinnerungen haben Sie an das Migrationsjahr 2015?

Testud: Die ganze Welt war schockiert, ich war es auch. Wir haben die Bilder von diesem toten Jungen am Strand gesehen und hielten es für unerträglich, unmöglich. Aber wie viele Kinder sind davor schon gestorben, und wir haben es nicht realisiert? Das ist der gleiche Weg, den die Frau in der Serie auch nimmt.

STANDARD: "Eden" ist ein Film, der im öffentlich-rechtlichen Fernsehen läuft. Spielt man da nicht in der vielzitierten Blase?

Testud: Wenn wir nur einen erreichen, dann hat es schon etwas gebracht.

Sylvie Testud (48) ist bekannt aus "Jenseits der Stille", Jessica Hausners "Lourdes". Zuletzt war sie in "Suspiria" im Kino zu sehen. Sie schreibt Bücher und spielt in Serien, zuletzt in "Deutsch-Les-Landes" für MagentaTV. (Doris Priesching, 27.4.2019)