Seine Leidenschaft sind Reisen und Musik. Mit der MS6 Reisegesellschaft versucht Michael Springer, beides zu kombinieren und Gleichgesinnten ein anspruchsvolles Programm zu bieten.

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Sein Vater hat die großen Reiseveranstalter nach Kärnten gebracht und für Ortsansässige unter anderem Reisen nach Venedig organisiert. "63 Gäste in einem Zwölf-Meter-Bus, morgens hin, am Abend zurück, die Hälfte Raucher, dazwischen Gondelfahrt und Essen in einer Trattoria", erinnert sich Michael Springer. Als Jugendlicher hat er für seinen Vater die Sitzpläne geschrieben. Ein Onkel startete mit dem Chartergeschäft – "Betriebsausflüge mit einer Tupolew, wo viel Alkohol geflossen ist". 1996 wurde es Michael Springer zu eng im Reisebüro Springer. "Wir waren 13 Gesellschafter. Ich habe gesehen, das geht so nicht und habe mich selbstständig gemacht." Sein Unternehmen, die MS6 Reisegesellschaft, ist untrennbar mit den Wiener Philharmonikern verbunden. Springer hat das Vorzeigeorchester 2008 erstmals an Bord eines Kreuzfahrtschiffs gebracht.

STANDARD: Wie kam es dazu?

Springer: Wir lieben Musik, insbesondere klassische, und haben mit Partnern schon vor Jahren Konzerte organisiert. Einmal ist es uns geglückt, die Wiener Philharmoniker auf dem Weg zum Festival Ravenna für ein Konzert in Klagenfurt zu gewinnen. Das war so inspirierend, dass wir gesagt haben, es wäre super, 60, 70 Philharmoniker mit ihren Hardcorefans auf einem Schiff zusammenzubringen. Bei einem Konzert gehen die Musiker hinten raus, die Gäste vorn, Begegnung gibt es nicht. Auf dem Schiff ist es anders, da sitzt man beim Essen oder an der Bar mit den Musikern zusammen.

STANDARD: Mussten Sie die Philharmoniker lange überzeugen?

Springer: Es gab viel zu erklären, vom Transport der Instrumente über den Bühnenaufbau bis zur Akustik. Inzwischen kümmern wir uns selbst um den Transport der Instrumente, den Aufbau der Bühnen. Wir mieten ganze Theater und haben uns vom Reiseveranstalter zum Konzertveranstalter weiter entwickelt.

STANDARD: Sie lieben das Risiko?

Springer: Nicht immer. Ich weiß, was Existenzängste sind. Wenn aber eine Idee wirklich gut ist, steckt in einem Produkt so viel Kraft, dass man das durchzieht, auch wenn es einmal nicht so gut läuft. Bisher ist es immer sehr gut ausgegangen.

STANDARD: Das weiß man zu Beginn doch nie, oder?

Springer: Die Erfahrung zeigt jedenfalls, dass sich Produkte gut verkaufen, die Dinge zusammenbringen. Der Walkman etwa hat Musik mit Bewegung kombiniert. Wir waren überzeugt, wenn es uns gelingt, eine tolle Reise zu organisieren, bei der die Philharmoniker im Zentrum stehen, dann entsteht so viel Energie, dass Kunden bereit sind, viel Geld für diese einmalige Gelegenheit auszugeben.

STANDARD: Hinter dem Walkman stand ein Milliardenkonzern wie Sony, hinter MS6 ein kleines Familienunternehmen aus Klagenfurt, das versuchte, Kreuzfahrt und Philharmoniker zusammenzuführen?

Springer: Das stimmt. Aber die 17. Rhodos-Reise zu verkaufen oder die 90. Reise nach Venedig, das ist doch etwas fad. Als Unternehmer will man auch Neues wagen und einen Vorsprung gegenüber dem Mitbewerb herausarbeiten.

STANDARD: Zwei Ihrer vier Töchter arbeiten Vollzeit in der Firma. Warum haben es Frauen generell so schwer? Sie verdienen im Durchschnitt weniger als Männer, kommen schwer in Spitzenpositionen.

Springer: Das ist leider ein großes Manko in unserer Gesellschaft. Bei uns im Unternehmen sieht es anders aus. Wir zahlen über Kollektivvertrag, haben eigentlich nur Frauen im Betrieb und fahren damit sehr gut.

STANDARD: Was halten Sie von einer Frauenquote?

Springer: Ich halte es für besser, Frauen zu fördern. Im Sommer, wenn viele Kindergärten zusperren, organisieren wir bei uns einen kleinen Betriebskindergarten. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie man Frauen unterstützen kann. Außerdem wäre es wichtig, genau darauf zu schauen, dass die gesetzlichen Auflagen auch eingehalten werden und Frauen für die gleiche Leistung gleich viel bezahlt bekommen wie Männer.

Ob in den Süden oder in den Norden: Kreuzfahrten sind in.
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STANDARD: Wie viele Mitarbeiterinnen haben Sie?

Springer: Zwischen zehn und 16, je nach Jahr und Projekt. Wir haben keine Reiseleiter fix angestellt, keine Busse. Wir kaufen sehr viel zu.

STANDARD: War für Sie immer klar, Unternehmer zu werden.

Springer: Nein. Ich habe viel gesportelt, wollte Jus studieren. Das war auch der Wunsch meines Vaters. Wenigstens einer aus der Familie sollte Akademiker werden. Ich bin nicht sehr weit gekommen, bin bald zu einer Spedition gegangen und habe dort gelernt. Dann bin ich ins Reisebürogewerbe eingestiegen und Busunternehmer geworden. Das scheint in unserer DNA zu liegen, das merke ich bei unseren Kindern, die auch gerne reisen und Musik lieben.

STANDARD: Gibt es Hausmusik bei den Springers?

Springer: Nein – Plattenspieler.

STANDARD: Sie haben bisher fünf Philharmoniker-Reisen veranstaltet, die nächste im Herbst 2020, von Palma de Mallorca nach Kreta. Welche war die herausforderndste?

Springer: Die Ostseekreuzfahrt 2010. Die Wiener Philharmoniker haben sich den Besuch von Königsberg gewünscht, weil dort der Gründer des Orchesters, Otto Nicolai, 200 Jahre vorher geboren wurde. Weil es dort kein Theater gibt, haben wir für das Konzert eine Sporthalle gemietet. Wir haben Königsberg sechsmal besucht, verhandelt und wieder verhandelt. Wir sind zu zweit zwölf Menschen gegenübergesessen, die alles versprochen und nichts gehalten haben.

STANDARD: Was ist passiert?

Springer: Wir sind von der Hafenstadt Klaipeda in Litauen mit 50 Bussen zur russischen Exklave gefahren, dann war Schluss. Die Grenzbeamten sind mit Kalaschnikows dagestanden, haben versprochen, zügig alle Gäste durchzulassen. Dennoch entstand ein Stau, sodass die Gäste teils bis zu drei Stunden im Bus warten mussten. Wir wussten, der Tag würde lang werden, also haben wir in der Sporthalle ein Buffet vorbereitet. Auch Russen waren geladen. Als unsere Gäste nach der Grenzwarterei doch irgendwann in die Sporthalle kamen, war das Buffet von den Russen aufgegessen. Dann fehlten noch die Instrumente.

STANDARD: Wieso?

Springer: Entgegen der Abmachung musste der Lkw, der die Instrumente geladen hatte, über einen anderen Grenzübergang fahren. Obwohl er vom Zoll verplombt worden war, wurde er aufgemacht, was zu weiteren Verzögerungen führte. Als die Instrumente da waren, hatten die Philharmoniker keine Zeit mehr, sich umzuziehen. Sie verzichteten auf den Frack. Christian Thielemann hat ebenfalls im Polo-Shirt dirigiert. Das war aber noch nicht alles.

STANDARD: Was denn noch?

Springer: Der versprochene und bezahlte Steinway-Flügel war ein altes Klavier, bei dem zwei Tasten kaputt waren. Rudolf Buchbinder, der darauf spielen sollte, hat gesagt – egal, wir spielen trotzdem. Und wir haben das dann auch so durchgezogen.

STANDARD: Welches Programm?

Springer: Eine Beethoven-Symphonie und Teile der komischen Oper von Otto Nicolai, Die lustigen Weiber von Windsor.

Mit Rudolf Buchbinder musste auch schon ohne Frack spielen.
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STANDARD: Was denkt man in solchen Situationen?

Springer: Man muss die Nerven bewahren, flexibel sein und improvisieren können. Für die Rückfahrt zum Schiff haben wir für jeden Bus schnell ein, zwei Flaschen Wodka organisiert und eine Kleinigkeit zum Essen. Unser Partner Tui Cruises war super, die haben die Küche offengelassen. Als unsere Gäste gegen Mitternacht auf das Schiff gekommen sind, gab es ein großes Buffet.

STANDARD: Und die Gäste?

Springer: Die waren kritisch, aber auch glücklich, dieses Abenteuer erlebt zu haben. Mit dieser Kreuzfahrt sind wir vielen im Gedächtnis geblieben. "Können Sie sich erinnern, Herr Springer", werde ich heute noch oft angesprochen. "Klaipeda – was für ein Erlebnis".

STANDARD: Viele Leute haben Angst vor Putin, Erdogan, auch vor Trump. Wie soll man als Touristiker mit solchen Ängsten umgehen?

Springer: Das Schöne ist, dass durch den Tourismus Brücken gebaut werden. Reisen dient der Völkerverständigung, erweitert den Horizont, hilft, Arbeitsplätze zu schaffen. Es tut Ägypten, der Türkei und anderen Ländern nicht gut, wenn plötzlich die Hälfte der Gäste wegbleibt, das wissen die Regierungschefs oder Diktatoren dieser Länder. Insofern ist Tourismus in gewisser Hinsicht auch ein Druckmittel und friedensstiftend.

STANDARD: Völkerverständigung schön und gut, aber die Angst vor Ausländern scheint auch in Österreich höher zu sein als früher.

Springer: Durch Reisen werden Ängste abgebaut. Wenn Menschen gesehen haben, dass nicht an jeder Ecke ein Verbrecher lauert und dass Ausländer vielleicht anders, aber nicht schlechtere Menschen sind, dann lassen sie sich auch nicht so leicht von extremen politischen Ansagen leiten. Reisen soll Freude bereiten.

STANDARD: Sie werden im Juni 65, bis wann wollen Sie weitermachen?

Springer: Ich möchte mich aus dem operativen Geschäft zurückziehen, aber meine Töchter bekommen gerade Nachwuchs, jetzt wird das aufgeschoben. Schauen wir, wie viele Kinder kommen und wann der Opa geht. (Günther Strobl, 28.4.2019)