Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/WIN MCNAMEE

In vier Punkten erklärt Yussi Pick, wie rechte Kommunikationstrategien die Verwundbarkeiten von Medien ausnützen. Medien sollten Prozesse darstellen wie eine Meldung zur Nachricht wird, fordert der Kampagnen- und Kommunikationsberater im Gastkommentar.

Es gibt kaum einen Bestandteil unserer Demokratie, der weniger kritikfähig ist als die vierte Macht im Staat – die Medien. Das liegt auch daran, dass es – aus Perspektive von Journalistinnen und Journalisten – kaum jemanden gibt, der sie legitimerweise kritisieren darf. Die meisten gelten als befangen, weil sie selbst Teil der Berichterstattung sind. Dabei – und deswegen – ist das Medienversagen gegenüber rechten Kommunikationsstrategien frappant und trägt wesentlich zum Erfolg rechtsextremer Politik bei. Ein vom österreichischen Tagesgeschehen abgekoppeltes Beispiel hilft, die Mechaniken zu veranschaulichen, die auch hierzulande wirken.

Am 18. April wurde nach monatelangen Untersuchungen der Schlussbericht des ehemaligen FBI-Direktors Robert Mueller zur Verstrickung der Trump-Kampagne in die russische Beeinflussung der US-Wahl 2016 veröffentlicht. Die Einschätzung des als penibel geltenden Beamten: Es gab unzählige Verstrickungen zwischen der Trump-Kampagne und russischen Akteuren und Versuche durch den jetzigen Präsidenten, die Untersuchungen zu behindern. Allerdings keine, die juristisch verfolgt werden können, auch aufgrund der Rechtsmeinung des Justizministeriums, ein amtierender Präsident könne nicht angeklagt werden.

Warum titelte DER STANDARD vor fünf Wochen das scheinbare Gegenteil – "Kein Beweis für Absprachen Trumps mit Russland" – und berichtete über die Veröffentlichung des eigentlichen Berichts wesentlich weniger prominent und weniger eindeutig: "Mueller lässt Justizbehinderung durch Trump offen"? DER STANDARD ist – wie viele andere Medien – auf die Taktik der Trump-Administration hereingefallen, eine irreführende Zusammenfassung des Berichts vorab zu lancieren. Das offenbart die Verwundbarkeiten von Medien, die rechte Kommunikationsstrategen ausnützen.

Erstens: Medien schenken von Rechten besetzten Institutionen im Zweifel zunächst immer noch ihr Vertrauen. Wenn der Bundesstaatsanwalt den 400-seitigen Bericht binnen weniger Stunden auf vier Seiten zusammenfasst, dann wird das als objektive Information übernommen, obwohl es keinen Vertrauensvorschuss geben sollte. Denn autoritäre Regierungen haben keine Scham, staatliche Institutionen für Propagandazwecke zu missbrauchen.

Rechtes Bullying

Zweitens: Medien haben Angst davor, einseitiger Berichterstattung bezichtigt zu werden. Das kommt nicht von ungefähr, sondern ist Ergebnis der letzten 30 Jahre Bullying durch rechte Politik. Die konsequente Bezichtigung von Journalistinnen und Journalisten als "links", das Brandmarken von Medien als "Rotfunk" oder "linke New York Times", um zwei Beispiele zu nennen, führt dazu, dass Medien sich auf eine "Der eine sagt, die andere sagt"-Berichterstattung zurückziehen, was das politisch Sagbare – und damit schlussendlich das politische Handeln – nachhaltig nach rechts verschiebt.

Drittens: Medien überkorrigieren als Reaktion auf die Kritik ihre vermeintliche Schlagseite und bekommen dadurch erst eine. Die Hoffnung, die Rechten würden irgendwann aufhören, ihnen Einseitigkeit vorzuhalten, ist naiv: Es passiert vielmehr das Gegenteil. Auf Basis der falschen Schlagzeilen vom 24. März verhöhnte etwa der Berater des österreichischen Bundeskanzlers Gerald Fleischmann die bisherige Berichterstattung und führte sie als Beweis eines vermeintlichen Bias vor: "Heute ist offenbar der Tag der peinlichen Niederlagen. Zuerst loost unser Fußballteam gegen Israel ab; dann wird die Elite der US-Medien durch den Mueller-Bericht blamiert."

Viertens: Rechte Kommunikationsstrategien nutzen die kurzen Zyklen von Aufmerksamkeit und Berichterstattung durch Medien wieder und wieder aus – und Medien lassen es zu. Das Schema: etwas behaupten, egal ob es richtig ist, weil die Korrektur später nur mehr ein Bruchteil der Leserinnen und Leser wahrnimmt. Spin first, correct later.

Wenn Medien dem etwas entgegensetzen wollen, dann braucht es selbstkritikfähige Journalistinnen und Journalisten als Unterscheidungsmerkmal zu Fake-News-Schleudermaschinen. Eine Transparenz bei Fehlern und die Prozesse darzustellen, wie eine Meldung zur Nachricht wird und wie diese erzählt wird, ist der Anfang, um nicht weiterhin Werkzeug rechter PR-Strategien zu bleiben. Man muss sich vor Augen halten: Selbst wenn DER STANDARD seine Fehler in der Mueller-Berichterstattung einsieht, hätte er keinen Ort in seinem Medienimperium, in dem der Fehler mit Leserinnen und Lesern geteilt wird. Und nein: Dieser Kommentar der anderen zählt nicht. (Yussi Pick, 29.4.2019)