Nationalratspräsidiale: Die meisten Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich mehr Zusammenarbeit der Parteien im Parlament

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Linz – Dass die derzeitige Regierung anders arbeitet als ihre Vorgänger, ist den Österreicherinnen und Österreichern sehr bewusst. In der jüngsten Market-Umfrage für den STANDARD wurde gefragt: "Die Bundesregierung ist ja jetzt etwa 500 Tage im Amt. Wenn man die jetzige Regierung aus ÖVP und FPÖ mit der früheren Regierung aus SPÖ und ÖVP vergleicht: Ist diese Regierung unter Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache anders als die frühere Regierung unter Christian Kern und Reinhold Mitterlehner, oder ist da kein großer Unterschied?"

Darauf sagten 83 Prozent, dass die Regierung anders sei – und diese Einschätzung wird von Befürwortern und Gegnern der Regierung (wenn auch wohl aus unterschiedlichen Motiven) gleichermaßen geteilt. Nur politisch derzeit Unentschlossene sehen in größerer Zahl keinen Unterschied. DER STANDARD hat bereits berichtet, dass 48 Prozent der Befragten meinen, diese Regierung spalte die Gesellschaft – es lohnt aber ein näherer Blick darauf, wie sich die Wahlberechtigten ein gutes Regieren in Österreich vorstellen.

Wunsch nach Konsens

Dazu wurde gefragt: "Wie wichtig ist für Sie ein Konsens zwischen den Parteien, also dass die Politiker bei wichtigen Themen über die Parteigrenzen hinweg miteinander reden und eine gemeinsame Lösung suchen?" Satte 85 Prozent der Befragten sagten darauf, dass Konsens über die Parteigrenzen hinweg "sehr wichtig" (49 Prozent) oder immerhin "wichtig" (36 Prozent) sei.

Market-Institutschef Werner Beutelmeyer schlüsselt diesen Wunsch weiter auf: "Es wird sehr deutlich, dass ältere Befragte den Konsens in der Politik wesentlich wichtiger nehmen als die jüngeren Befragten. Der Bildungsstand der Befragten oder deren regionale Herkunft spielt dagegen so gut wie keine Rolle, wohl aber die Parteipräferenz: Wer die Oppositionsparteien wählt, ist eher geneigt, für diese auch ein Mindestmaß an Mitgestaltung zu wünschen."

Nur wenige für harte Konfrontation

Beutelmeyer, der auch mehrere Bücher über die politischen Präferenzen des "Homo Austriacus" (Buchtitel) verfasst hat, sieht nur eine ganz winzige Minderheit, die politischen Konsens völlig ablehnt: "Entschieden gegen gemeinsame Lösungen sind nur zwei Prozent, also jeder 50. Befragte. Sechs Prozent halten Konsens in wichtigen Fragen für 'weniger wichtig', sieben Prozent ist er egal. Selbst wenn man die alle zusammenrechnet, kommt man nur auf 15 Prozent."

Wenn man allerdings nachfragt, wie der Konsens denn in der Praxis funktionieren sollte, schrumpft die Zustimmung zum Konsens zusammen, bleibt aber mehrheitsfähig. DER STANDARD ließ dazu folgende Alternative abfragen:

  • · "Es gibt ja unterschiedliche Arten, wie man in einer Demokratie Politik machen kann, nämlich entweder "Die Regierung entscheidet und setzt ihre Entscheidung mit ihrer Mehrheit gegen Bedenken der Opposition durch" – dieses konfliktträchtige und momentan weitgehend praktizierte Modell wird von 27 Prozent der Befragten bevorzugt. Mehrheitsfähig ist diese Art des Regierens bei etwa jedem zweiten Wähler von ÖVP und FPÖ.
  • · Das Gegenmodell eines weitgehend konsensualen Regierens wurde so formuliert: "Die Regierung macht einen Vorschlag und passt ihn gegebenenfalls an, um eine breite Mehrheit mit der Opposition zu bekommen." Dem stimmt eine deutliche Mehrheit von 54 Prozent zu. Beutelmeyer: "Vier von fünf Wählerinnen und Wählern der Oppositionsparteien wünschen sich, dass die Regierung ihre Arbeit an die oppositionellen Einstellungen anpasst. Aber auch der ÖVP-Wählerschaft stehen nicht alle Zeichen auf Konfrontation, da wollen 40 Prozent, dass die Regierung auch auf die Opposition hört."

Männer eher konfliktbereit

19 Prozent der Befragten – besonders politisch Ungebundene (oder Desinteressierte) und Frauen konnten sich übrigens für keine der Alternativen erwärmen. Männer sind mit 34 Prozent wesentlich stärker für das Konfliktmodell als Frauen (20 Prozent).

Schließlich fragte Market im Auftrag des STANDARD, welcher Partei man am ehesten zutraue, möglichst breit erarbeitete Lösungen anzustreben. Die Grafik zeigt, dass das am stärksten der ÖVP – mit Respektabstand vor Neos und SPÖ – zugetraut wird.

Besonders stark an die Konsensfähigkeit der ÖVP glauben deren eigene Wähler (zu knapp 80 Prozent), aber auch Freiheitliche und generell ältere Befragte.

Während nur 35 Prozent meinen, die ÖVP stünde für Konfrontation, so schätzen 58 Prozent ihren Koalitionspartner als Partei der Konfrontation ein.

Falsches Selbstbild der Freiheitlichen

Die FPÖ-Wähler glauben übrigens mehrheitlich, ihre Partei stehe für politischen Konsens – aber mit dieser Einschätzung stehen sie in krassestem Widerspruch zur Wahrnehmung im Rest der Bevölkerung. Die Wähler der ÖVP (wie auch jene aller anderen Parteien) sagen mehrheitlich, die kleinere Regierungspartei stehe für Konfrontation. (Conrad Seidl, 29.4.2019)