Wien – Es ist ein ungewöhnliches Gutachten, das der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann über Rick P. abgibt. "Es gibt sehr konkrete Hinweise auf eine unbehandelte psychische Erkrankung des Angeklagten, aber die hatte keinen Einfluss auf die Tat. Er war zurechnungsfähig, und es gibt keine Hinweise, dass eine Einweisung in eine Anstalt notwendig wäre", erklärt Hofmann dem Schöffensenat unter Vorsitz von Nina Steindl. Vor dem sich der 32 Jahre alte P. verantworten muss, da er am 20. Dezember eine Ex-Partnerin vergewaltigt, mit einem Messer bedroht, gebissen, geschlagen und gekratzt haben soll.

Wie Hofmann zu seiner Diagnose kommt? Laut Zeugenaussagen habe der Angeklagte vor vier bis fünf Jahren begonnen, sein Verhalten zu ändern. Er bezeichnete sich plötzlich als "Präsident von Europa" oder "Finanzminister", unterhielt sich mit Fernsehgeräten oder berichtete von Ufos, während er eine Stelle in seinem Gesicht drückte, als ob er ein Gerät einschalten würde. Bei einem Gespräch habe P. ihm seine politischen Funktionen bestätigt, aber nicht näher darauf eingehen wollen, erläutert der Gutachter.

Geschlechtsverkehr auch in neuer Beziehung

Nur: Diese vermutliche Erkrankung aus dem Kreis der schizophrenen Psychosen ist aus Hofmanns Sicht nicht auslösend für die Tat, die der Angeklagte mit einem Redeschwall bestreitet. P. erzählt seine Sicht der Dinge so: Er sei mit der 44-Jährigen zwischen Mai 2011 und 2014 zusammen gewesen. Eine sexuelle Beziehung habe auch bestanden, als die Ex-Freundin schon mit einem neuen Mann liiert gewesen sei.

"Sie hat immer wieder an der Tür geklopft, wir hatten mehrmals Geschlechtsverkehr", erklärt der einmal Vorbestrafte. "Aber ich habe immer gefragt, ob sie Geschlechtsverkehr haben will." – "Warum fragen Sie eigentlich immer, wenn das regelmäßig war?", wundert sich Steindl. "Genau, damit so etwas nicht passiert. Ich mache keine Übergriffe."

"Sie hat eine dünnere Haut als ich"

Vier Bissspuren, die nach dem Vorfall bei der Frau im Spital diagnostiziert wurden, seien das Ergebnis von "leidenschaftlichem Sex. Aber das ist keine Körperverletzung. Sie hat mich auch in die Wange gebissen", stellt P. fest. "Sind Sie dadurch auch verletzt worden?", will die Vorsitzende wissen. "Nein, sie hat eine dünnere Haut als ich."

Privatbeteiligtenvertreterin Brigitte Loacker hält ihm vor, dass er bei der Polizei nach Vorlage von Bildern der Verletzung noch kategorisch bestritten habe, dass er zugebissen habe. Seine Erklärung: Die Beamten hätten falsch protokolliert. Allerdings hat er Bisse auch noch später beim Haftrichter geleugnet. Erst nachdem ihn ein DNA-Gutachten belastet hat, gesteht er sie nun erstmals ein.

Frau will Hilfe statt Haft

"Warum, glauben Sie, soll die Frau Sie belasten?", versucht Steindl zu erfahren. "Ich glaube, ihr Freund hat sie genötigt, da er ein schwerer Alkoholiker und eifersüchtig ist", vermutet der Angeklagte. Dagegen spricht, dass die Frau erst zur Polizei, dann ins Spital ging und erst danach ihren Partner anrief. Darüber hinaus hat das Opfer, das die fortgesetzten sexuellen Kontakte bestätigt, bei einer Einvernahme sogar betont, sie möchte nicht, dass P. ins Gefängnis komme, sondern nur, dass ihm jemand helfe.

Der Senat erfüllt diesen Wunsch nach kurzer Beratung nicht: Der von Astrid Wagner verteidigte Angeklagte wird nicht rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt. (Michael Möseneder, 29.4.2019)