Der Karl-Marx-Hof in Döbling wurde im Oktober 1930 eröffnet. Er gilt als einer der Vorzeigebauten des "Roten Wien".

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Waschküche, Bäder, Kindergärten, Lebensmittelgeschäfte, Bildungs-, Fürsorge- und Gesundheitseinrichtungen, großzügige, begrünte Höfe: Die Gemeindebauten des "Roten Wien" waren revolutionär. Begonnen hat es im Mai 1919 mit der Wahl des Sozialdemokraten Jakob Reumann zum Bürgermeister. Im selben Jahr startete der Bau des ersten Gemeindebaus, des Metzleinstaler Hofs am Margaretengürtel. Weil das 100 Jahre her ist, hat die Stadt 2019 zum "Jubiläumsjahr" erkoren. In Veranstaltungen will man an die Errungenschaften des "Roten Wien" erinnern.

Ermöglicht wurde der eigenständige Wiener Weg erst durch die Trennung Wiens von Niederösterreich, die 1920 in die Wege geleitet wurde. Reumann wurde 1922 Landeshauptmann, aus der Gemeinde Wien wurde ein Bundesland, inklusive entsprechender steuerlicher Möglichkeiten. Der damalige Finanzstadtrat Hugo Breitner gilt als Erfinder der 1923 beschlossenen Wohnbausteuer. Ein erstes großes Wohnbauprogramm wurde ins Leben gerufen, bis 1926 waren 25.000 Wohneinheiten gebaut. Es folgte ein zweites Programm mit rund 30.000 Einheiten. Als 1934 der Austrofaschismus die Demokratie zerschlug, gab es in Wien schon fast 65.000 Gemeindewohnungen.

Rückkehr nicht forciert

Auf vielen Gemeindebauten dieser Zeit ist noch heute die Aufschrift "Errichtet aus Mitteln der Wiener Wohnbausteuer" zu lesen. Nach Breitner ist heute ebenso ein Gemeindebau benannt (im 14. Bezirk) wie nach den damaligen Wiener Bürgermeistern Jakob Reumann (1919–1923; fünfter Bezirk) und Karl Seitz (1923–1934; 21. Bezirk).

Wie die Wiener Sozialdemokraten nach Kriegsende mit dem in die USA geflüchteten Breitner umgegangen sind – seine Rückkehr wurde nicht gerade forciert, 1946 verstarb er im Exil –, ist eine andere, nicht ganz so glanzvolle Geschichte.

Bau der Bäder

Doch nicht nur der Bau von Gemeindewohnungen steht für das "Rote Wien". Dieses veränderte viele Bereiche des täglichen Lebens wie auch die Freizeit. Von 1919 bis 1934 entstanden in Wien 31 Badeanlagen. Davon 21 Kinderfreibäder, zwei Volksbäder, das Amalienbad sowie die Sommerbäder Angelibad, Hütteldorfer Bad, Ottakringer Bad, Krapfenwaldlbad, Hohe Warte, das Stadionbad und das Kongreßbad.

Letzteres wurde 1928 nach den Plänen von Erich Leischner auf einer ehemaligen Sandgewinnungsstätte und Mülldeponie als größtes künstliches Freibad Wiens errichtet. Mit einem 100-Meter-Becken und einem Zehn-Meter-Turm war es auch auf internationale Wettbewerbe ausgelegt.

Führungen zum "Roten Wien"

Das Bad ist eines jener "begehbaren Objekte", die im Rahmen der Ausstellung Das Rote Wien zu besichtigen sind. Sie wird am Dienstag im Wien-Museum Musa eröffnet und geht bis Jänner 2020 dem sozialen, kulturellen und architektonischen Erbe dieser Epoche nach.

Schon seit wenigen Tagen zeigt die Wienbibliothek im Rathaus Plakate des Grafikers und Malers Victor Th. Slama, der als der Plakatgrafiker des "Roten Wien" gilt. Am 19. Mai folgt dann ein Gratis-Open-Air-Konzert der Wiener Symphoniker im Gemeindebau am Rennbahnweg 27.

Ein großes Jubiläumsfest wird es am 30. Juni im Karl-Marx-Hof geben. Im Waschsalon der Gemeindebau-Ikone, in der seit 2010 eine Dauerausstellung zur Geschichte des "Roten Wien" zu sehen ist, wird es an diesem Tag Führungen geben, bei denen man ansonsten versperrte Orte – etwa die Fahnentürme – besichtigen kann.

Und im Herbst wird es noch einmal etwas zu feiern geben, dann sollte nämlich der erste "Gemeindebau neu" in der Fontanastraße in Wien-Favoriten an seine Bewohner übergeben werden. Er wird nach Barbara Prammer benannt. (Martin Putschögl, Oona Kroisleitner, 30.4.2019)