Kabul/Doha – Die NATO-Afghanistan-Mission "Resolute Support" (RS) erhebt künftig keine Daten mehr dazu, wie viele Bezirke des Landes die Regierung oder aber die Islamisten kontrollieren. Das geht aus einem in der Nacht auf Mittwoch veröffentlichten Bericht des Spezialinspektors des US-Senats für den Wiederaufbau in Afghanistan (SIGAR) hervor.

Die Militärmission begründet die Einstellung der Datenerhebung damit, dass diese für die RS-Führung nur einen "beschränkten Wert zur Entscheidungsfindung" hätten. Der Stand in den Bezirkskontrollen, der seit 2015 vierteljährlich in SIGAR-Berichten veröffentlicht worden war, war allerdings einer der letzten öffentlich zugänglichen Indikatoren für den Erfolg oder das Versagen der Bemühungen, Afghanistan sicherer zu machen.

Laut dem SIGAR-Bericht vom Jänner, der die Zahlen zur Bezirkskontrolle noch beinhaltet hatte, hatte die afghanische Regierung nur noch in 53,8 Prozent der rund 400 Bezirke das Sagen, die radikalislamischen Taliban kontrollierten mindestens 12 Prozent. Die restlichen Gebiete – mehr als 30 Prozent der Bezirke – galten mit Stand Oktober 2018 als umkämpft. Die Kontrolle der Regierung war in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken.

Neue Gesprächsrunde USA-Taliban

Im Golfemirat Katar startet am Mittwoch eine weitere Gesprächsrunde zwischen Vertretern der USA und hochrangigen Taliban über Frieden in Afghanistan. Das teilte der Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, über den Kurznachrichtendienst Twitter am Mittwoch mit.

In einer bedeutenden Änderung ihrer Politik hatten die USA im vergangenen Sommer Direktgespräche mit den Taliban aufgenommen, um den seit 17 Jahren währenden Konflikt in Afghanistan zu beenden. Davor hatten sie stets gesagt, die Aufständischen sollten direkt mit der afghanischen Regierung verhandeln und ein Friedensprozess müsse unter deren Führung stattfinden.

Fortschritte bei zentralen Fragen

Nach der jüngsten USA-Taliban-Gesprächsrunde, die Mitte März endete, berichteten beide Seiten übereinstimmend über Fortschritte bei zwei zentralen Fragen: bei der Taliban-Forderung nach einem Abzug aller ausländischen Truppen und bei der Forderung der USA nach Garantien, dass von Afghanistan aus keine Terroranschläge mehr geplant werden.

US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad teilte damals mit, wenn es bei diesen beiden Punkten eine Einigung gebe, würden Verhandlungen der Taliban mit der Regierung über eine politische Lösung des Konflikts und über einen Waffenstillstand beginnen.

Die Taliban lehnen direkte Gespräche mit Kabul bisher ab, weil sie die Regierung für eine Marionette der USA halten. Das Taliban-Regime war Ende 2001 nach dem Einmarsch US-geführter Truppen gestürzt worden. Der internationale Militäreinsatz war eine Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington.

Gewalt nimmt dennoch zu

Trotz der Friedensgespräche mit den Taliban hat die Gewalt in Afghanistan in jüngster Zeit zugenommen. Das geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des US-Generalinspekteurs für Afghanistan (SIGAR) hervor. Demnach nahm die Zahl islamistischer Anschläge im Zeitraum von Anfang November bis Ende Jänner im Vergleich zum vorhergehenden Quartal um 19 Prozent zu.

Der Bericht verzeichnet auch deutlich höhere Verluste bei den afghanischen Truppen. Von Anfang Dezember bis Ende Februar gab es laut SIGAR einen Anstieg von 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Beide Tendenzen seien besonders bemerkenswert, weil in den vergangenen Jahren die Gewalt im Winter stets nachgelassen habe, heißt es in dem Bericht.(APA, 1.5.2019)