Im Februar verkündete die "Bild"-Zeitung den Durchbruch – allerdings viel zu früh, wie sich nur weniger später herausstellte.

Foto: "Bild"

Eckart Würzner ist derzeit nicht gut auf den größten Arbeitgeber seiner Stadt zu sprechen. "Das darf absolut nicht passieren an so einem Klinikum", sagt der parteilose Heidelberger Bürgermeister und berichtet entnervt, dass er ständig gefragt werde: "Was ist denn bei euch los?"

Allerhand ist los an Deutschlands ältester Hochschule, der Ruprecht-Karls-Universität, die 1386 gegründet wurde. Schwer in Verruf ist die medizinische Fakultät geraten, und noch sind viele Fragen offen. War Gier im Spiel? Größenwahn? Naivität? Und welche Rolle spielte Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser?

Rückblick zum 21. Februar 2019. "Sensation aus Deutschland, Bluttest erkennt Brustkrebs", verkündet die "Bild"-Zeitung groß auf Seite eins und berichtet im Blattinneren ausführlich von "revolutionären Ergebnissen": Der neue Test erkenne Brustkrebs anhand von Tumormarkern und Biomarkern viel früher, und das mit einer Treffsicherheit, die mit jener einer Mammografie vergleichbar sein soll.

Uni-Leiter als Großvermarkter

Gefeiert als maßgeblicher Entwickler wird Christoph Sohn, der seit 2004 die Uni-Frauenklinik in Heidelberg leitet. Er hält, wie auch die Uniklinik, zudem Anteile an der Firma Heiscreen GmbH, die den Bluttest in Deutschland vermarkten soll, und an der Heiscreen NKY GmbH zur Vermarktung des Tests in China.

Während viele Frauen den neuen Test mit Interesse und auch großer Hoffnung wahrnehmen, werden in der Fachwelt jedoch bald Zweifel laut. Denn die Veröffentlichung in der Bild-Zeitung ist die einzige, nichts hingegen wurde in einem Fachjournal publiziert. Die Studie dazu sei auch viel zu klein.

Schlecht für die Forschung

So erklärt Johannes Bruns, Generalsekretär der Krebsgesellschaft: "Wenn aus wirtschaftlichen Interessen unüberprüfbare Ergebnisse an die Öffentlichkeit gegeben und damit ungerechtfertigte Erwartungen geweckt werden, wirft das einen Schatten auf das Image der Forschung."

Am 21. März ist der Traum von der Weltsensation auch schon wieder vorbei. Das Uniklinikum räumt ein, falsche Hoffnungen auf eine rasche Markteinführung des Tests geweckt zu haben, entschuldigt sich und setzt eine Kommission zur Aufklärung ein.

Licht ins Dunkel

Licht in die Angelegenheit bringen derzeit aber vielmehr deutsche Medien. So berichtet die "FAZ", dass Ex-Finanzminister Grasser an mehreren Beratungen teilgenommen hat, als der deutsche Unternehmer Jürgen B. Harder seinen Einstieg bei Heiscreen plante. Laut "Süddeutscher Zeitung" fanden diese Treffen im noblen China Club in Berlin statt.

Harder ist in Deutschland kein Unbekannter. Mit dem ehemaligen Schwimm-Star Franziska van Almsick hat der Immobilienunternehmer zwei Kinder, 2015 wurde er wegen Bestechung beim Ausbau des Frankfurter Flughafens zu zwei Jahren auf Bewährung und sechs Millionen Euro Geldstrafe verurteilt.

Aktienkäufe im Visier

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim prüft derzeit die Aktienkäufe bei der Firma NKY Medical, die den Test auf den asiatischen Mark bringen sollte. Der Kurs stieg ab dem Moment rasant an, ab dem sich die Beteiligten entschlossen, die Öffentlichkeit über den Bluttest zu informieren.

Laut "FAZ" ist die Heidelberger Klinikleitung mittlerweile über Grassers Rolle informiert. Eine Anfrage des STANDARD an die Klinik, wann sie davon erfahren habe, blieb unbeantwortet.

Nicht verständlich ist vielen auch die Klage des Vorstands des Uniklinikums, man sei bei der PR-Nummer hinters Licht geführt worden. Die "Rhein-Neckar-Zeitung" berichtet, das "Bild"-Interview sei sowohl von der Pressestelle der Klinik als auch zwei Vorständen vor der Veröffentlichung gegengelesen worden. Der Dekan der Medizinischen Fakultät, Andreas Draguhn, habe danach erfreut erklärt: "Präziser, als ich es "Bild" zugetraut hätte."

In Heidelberg hat man nun aufgrund des Skandals noch eine ganz andere Sorge: Seit 2007 führt die Uni – wie einige andere in Deutschland – den Titel "Exzellenzuniversität" und bekommt zusätzlich finanzielle Mittel. Am 19. Juli wird darüber neu entschieden, verbessert haben sich die Chancen für Heidelberg nicht. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.5.2019)