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Wie bei fast allen Autoherstellern wurden auch aus dem Auslieferungsturm in Wolfsburg weniger Fahrzeuge abtransportiert.

Foto: dpa / Peter Steffen

Wolfsburg/Stuttgart/München – Volkswagen verbuchte zum Jahresauftakt schwächere Verkäufe und Kosten für Rechtsrisiken in Milliardenhöhe. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern sank im ersten Quartal auf Jahressicht um 300 Millionen Euro auf 3,9 Milliarden Euro, teilte der Konzern am Donnerstag in Wolfsburg mit. Damit schnitten die Wolfsburger aber besser ab als manche Konkurrenten. Bei Daimler etwa hatte einen Gewinnrückgang von 16 Prozent ausgewiesen.

Die negativen Sondereinflüsse aus Rechtsrisiken von einer Milliarde Euro hätten sich belastend ausgewirkt. Vor Sondereinflüssen legte das operative Ergebnis dagegen um 600 Millionen auf 4,8 Milliarden Euro zu. Finanzvorstand Frank Witter sprach von einem guten Start ins Jahr.

Der größte deutsche Autobauer muss sich mit schwachen Automärkten herumschlagen, Milliardeninvestitionen in E-Mobilität und Digitalisierung belasten, dazu kommen drohende Stellenstreichungen – und immer wieder "Dieselgate". Schlechtere Geschäfte etwa auf dem wichtigsten Einzelmarkt China sorgten dafür, dass Volkswagen im ersten Quartal rund 2,6 Millionen Fahrzeuge an die Kunden auslieferte – 2,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Prinzip Hoffnung

Zwar bedeuteten die weltweiten Konjunkturrisiken Herausforderungen, erklärte Witter. Aber: "An unseren Zielen für 2019 halten wir trotzdem fest." Volkswagen erwartet einen um fünf Prozent höheren Konzernumsatz im Gesamtjahr, die operative Umsatzrendite vor Sondereinflüssen – also den Anteil des operativen Gewinns am Umsatz – taxiert man zwischen 6,5 und 7,5 Prozent. Einschließlich der Sondereinflüsse werde die Rendite am unteren Ende dieser Spanne liegen. Der Konzernumsatz stieg insgesamt auch dank der Finanzsparte um 3,1 Prozent auf 60 Milliarden Euro.

Die Kernmarke VW Pkw steigerte ihre Erlöse im ersten Quartal um 7,1 Prozent auf 21,5 Milliarden Euro. Allerdings ist auch sie von negativen Sondereinflüssen im Volumen von 400 Millionen belastet. Vor Sondereinflüssen stieg das operative Ergebnis von 879 auf 921 Millionen Euro.

WLTP dämpft Audi

Die kriselnde Nobeltochter Audi verbuchte ein operatives Ergebnis von 1,1 Milliarden Euro – im Vorjahresquartal waren es 1,3 Milliarden gewesen. Volkswagen begründete den Rückgang unter anderem mit Modellan- und -ausläufen sowie den Schwierigkeiten mit dem neuen Abgas- und Verbrauchsprüfstandard WLTP. Der Umsatz sank von 15,3 auf 13,8 Milliarden Euro – allerdings seien Mehrmarken-Vertriebsgesellschaften aus der Marke Audi herausgelöst worden. Die Sparte der Volkswagen-Finanzdienstleistungen legte operativ im ersten Quartal von 608 auf 638 Millionen Euro zu.

Im Gesamtjahr geht Volkswagen trotz der schwachen Märkte davon aus, dass die Auslieferungen an die Kunden den Wert des Vorjahres leicht übertreffen werden. 2018 hatte der Konzern trotz Dieselskandals mit 10,83 Millionen Fahrzeugen mehr Autos ausgeliefert als jemals zuvor.

US-Absatz gestiegen

Volkswagen hat seine Verkäufe auf dem insgesamt eher schwächelnden US-Automarkt im April abermals kräftig gesteigert. Dank eines reißenden Absatzes des neuen Jetta und anhaltend hoher Nachfrage nach den SUVs Atlas und Tiguan konnte das Unternehmen laut Mitteilung vom Mittwoch 31.309 Neuwagen absetzen, um 8,7 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Seit Jahresbeginn beträgt das Plus 3,9 Prozent.

Damit macht der deutsche Autohersteller auf dem US-Markt, wo die Verkäufe nach dem Abgasskandal zeitweise eingebrochen waren, weiter deutlich an Boden gut. Für die anderen deutschen Hersteller lief es im vergangenen Monat weniger rund. Einen besonders herben Dämpfer erlitt VWs Oberklassetochter Audi, bei der die Verkäufe um 21 Prozent einbrachen. Auch Daimler geriet mit seiner Marke Mercedes-Benz unter die Räder – hier betrug das Minus knapp 15 Prozent. Der Rivale BMW schaffte mit seiner Stammmarke immerhin ein Plus von 1,4 Prozent.

Insgesamt Zurückhaltung beim Autokauf

Insgesamt stehen die Zeichen auf dem US-Markt nach jahrelangem Absatz-Boom weiter auf Abschwung, im April hielten sich die Amerikaner beim Autokauf erneut eher zurück. Große Hersteller wie Fiat Chrysler oder Toyota verbuchten starke Absatzeinbußen, branchenweit zeichnet sich der vierte Monat mit sinkenden Verkäufen in Folge ab. Auch die Marktführer General Motors und Ford, die ihre Zahlen nur noch im Quartalstakt veröffentlichen, büßten zuletzt ein – obwohl Pick-ups und SUVs weiter gefragt sind.

Die Autoindustrie steht derzeit im Mittelpunkt von Handelstreitigkeiten zwischen den USA und der EU. US-Präsident Donald Trump hat Strafzölle für europäische Autoproduzenten angedroht, sollte die EU nicht zu einer Öffnung insbesondere ihrer Agrarmärkte bereit sein. Dagegen sträubt sich insbesondere Frankreich, während US-Autozölle vor allem Deutschland treffen würden.

Neuer Höchststand an Kosten

Die Marke von 30 Milliarden Euro und damit einen neuen vorläufigen Höchststand haben unterdessen die Kosten für die Aufarbeitung des Dieselskandals erreicht. Im ersten Quartal verbuchte der Konzern eine weitere Milliarde Euro an Belastung für Rechtsrisiken in dem Zusammenhang mit der Manipulation von Diesel-Abgaswerten, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Zwischenbericht hervorgeht.

Darin seien Kosten für Rechtsanwälte, Vergleiche und für noch ausstehende Verfahren enthalten, sagte Volkswagen-Finanzvorstand Frank Witter in einer Telefonkonferenz. Damit seien die derzeit absehbaren Kosten abgedeckt. Weitere seien aber auch nicht ausgeschlossen, sagte Witter. Den Großteil des für den Skandal aufgewendeten Geldes hat VW bis dato für Vergleiche in Nordamerika verbucht.

Derzeit laufen in Deutschland über 60.000 Einzelverfahren gegen Volkswagen oder Konzerngesellschaften, die meisten davon sind auf Schadenersatz oder Rückabwicklung gerichtet. Zudem klagen Aktionäre vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, weil sie sich vom Konzern zu spät über das finanzielle Ausmaß der Dieselaffäre informiert fühlen. (red, dpa, Reuters, 2.5.2019)