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Auf den Straßen Kaliforniens und Arizonas sind aktuell 1200 selbstfahrende Autos unterwegs. Tausende sollen in den nächsten Jahren folgen.

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Innovationsexperte und Buchautor Mario Herger.

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Als Ego-Booster werden sich die Autos der Zukunft nicht mehr eignen – davon ist zumindest Mario Herger überzeugt. Seit fast 20 Jahren lebt der 46-jährige Wiener im Silicon Valley – zuerst als Innovationsstratege beim Softwareunternehmen SAP, inzwischen als Sachbuchautor und gefragter Unternehmensberater in Sachen Technologietrends.

In seinen Berichten aus der kalifornischen Innovationshochburg des autonomen Fahrens ist von der europäischen Skepsis gegenüber der neuen Technologie wenig zu spüren. Dass sie – falls sie sich flächendeckend durchsetzen sollte – ganze Berufsgruppen vom Taxi- und Lkw-Fahrer über den Verkehrsrichter bis hin zum Experten für Verbrennungskraftmaschinen überflüssig macht, erschüttert Herger nicht. "Der sicherste Job im Transportwesen ist wahrscheinlich der Fiaker", meint er lakonisch.

Autonomes Fahren sei einfach die Zukunft, die außerdem schon längst begonnen habe. Und ihm gefällt sie. Gründe dafür gebe es viele: etwa die rund 400 Menschen, die jedes Jahr auf österreichischen Straßen sterben. "Mit autonomen Autos könnte man die Zahl der Kollisionen um bis zu 90 Prozent verringern", sagt Herger anlässlich seines kürzlichen Besuchs an der Technischen Universität Graz.

Erst ein tödlicher Unfall

Und was ist mit all den Unfällen, die bereits mit solchen Fahrzeugen passiert sind? "Tatsächlich gab es nur einen tödlichen Unfall mit einem autonomen Auto, aber der wird von den Medien immer wieder aufgegriffen", sagt der Innovationsberater. "Was viele nicht wissen: Die Sensoren dieses Unfallfahrzeugs aus der Uber-Flotte haben alle korrekt reagiert und das Signal zur Bremsung ausgelöst – allerdings wurde vorher das Bremssystem entkoppelt." Alle anderen Unfälle (auch der mit einem Tesla 2016) seien nicht mit vollautomatisierten Level-4-Fahrzeugen passiert, sondern mit Autos, die mit erweiterten Fahrerassistenzsystemen ausgestattet waren.

Die meisten Kollisionen mit Autonomen seien zudem nicht von diesen selbst verschuldet worden. Das aber ist genau der kritische Punkt, auf den viele Verkehrsexperten verweisen: Autonomes Fahren kann erst dann optimal funktionieren, wenn sich alle Autos völlig autonom fortbewegen. Probleme ergeben sich vor allem aus der aktuellen Mischung klassischer, teil- und vollautomatischer Fahrzeuge.

1200 fahrerlose Fahrzeuge

Mittlerweile haben bereits 62 Firmen eine kalifornische Lizenz zum Testen autonomer Fahrzeuge, die meisten davon mit Sitz im Silicon Valley. An die 1200 "Autonome" kurven zurzeit auf den Straßen Kaliforniens und Arizonas herum. Vor wenigen Monaten hat die Google-Schwesterfirma Waymo den weltweit ersten kommerziellen Robotertaxidienst mit mehreren Hundert Fahrzeugen in Arizona gestartet. "In den nächsten Jahren will Waymo weitere 82.000 Robotertaxis auf die Straße schicken, und auch Mercedes-Benz plant noch heuer Testfahrten mit einer eigenen Flotte für Passagiere", sagt Herger. Daneben werde auch schon emsig an autonomen Lastwagen gebaut, die bald als rollende Supermärkte durch die Lande fahren sollen.

Zwar gebe es bislang noch kein unabhängiges Prüfinstitut, das die Sicherheit autonomer Fahrzeuge zuverlässig ermitteln kann, doch was seit einigen Jahren vorliegt, sind sogenannte Disengagement-Berichte von mittlerweile 48 Firmen. "Ein Disengagement ist jener Moment, in dem das autonome System nicht mehr weiß, was es machen soll und der Sicherheitsfahrer das Steuer übernehmen muss", erklärt Mario Herger. Und wie oft kommt das vor? "Auf über drei Millionen autonom zurückgelegten Kilometern gab es insgesamt 144.000 Disengagements."

Traditionelle Hersteller weit abgeschlagen

Aussagekräftig werden diese Daten, wenn man die Firmen gesondert betrachtet: "Traditionelle Hersteller wie Mercedes-Benz oder Bosch sind mit einem Disengagement alle paar Kilometer so weit abgeschlagen, dass sie sich am besten mit den fünf Topunternehmen im Feld der autonomen Autos zusammenschließen sollten", meint Herger. Etwa mit Waymo, dessen Fahrzeuge bereits über 17.000 Kilometer im Stadtverkehr ohne Zutun eines Menschen schaffen. Auch GM Cruise fährt mit seinen Autonomen schon über 8000 Kilometer problemlos ohne menschliche Hilfe.

Für Mario Herger ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis kleine, rundliche Autonome auch die europäischen Straßen erobern. Um sinnvoll auf diese automobile Revolution reagieren zu können, müsse man die mit ihr verbundenen Herausforderungen hinsichtlich der Raum- und Verkehrsplanung, des Verkehrsrechts sowie der davon überrollten Berufe und Wirtschaftssektoren möglichst früh erkennen und darauf reagieren. Ängstliche Zurückhaltung schwäche nur die eigene Position, außerdem seien viele mit dem autonomen Fahren assoziierte Ängste ohnehin unbegründet: "Über 90 Prozent aller Verkehrsunfälle werden durch menschliches Fehlverhalten verursacht", so Herger. "Die rasant lernenden Algorithmen der autonomen Fahrsysteme können da nur Verbesserungen bringen."

Und was ist mit Hackerangriffen? "Mit dem Internet verbunden ist nur das Modem zur Fahrzeugbestellung, die Autobetriebssysteme selbst sind offline." Das einzige Problem, das ihm beim Ausmalen der autonomen Automobilzukunft einfällt, ist eine verstärkte Zersiedelung, "weil der Transport so schnell, einfach und kostengünstig sein wird."

Europäische Skepsis

Freuen dürfe man sich dagegen auf deutlich weniger Autos auf den Straßen und auf ein Ende des Flächenverbrauchs für Parkplätze und Garagen. Denn die Tage, in denen jeder seinen eigenen Pkw besitzt und damit täglich im Schnitt 34 Kilometer fährt – wobei fast jede zweite Fahrt laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) kürzer als fünf Kilometer ist -, sind nach Herger gezählt. "Die autonomen Autos werden in Robotertaxiflotten organisiert und permanent im Einsatz sein, wodurch die Transportkosten dramatisch sinken."

Wer dann noch Lust auf manuelles Fahren habe, könne das im geschützten Rahmen auf dem Red-Bull-Ring tun, empfiehlt der Wiener aus dem Silicon Valley. Zur skeptischen Zurückhaltung der Österreicher gegenüber der neuen Technologie hat er eine deutliche Meinung: "Während die Amerikaner autonome Fahrzeuge als Chance sehen, die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren, gefallen wir uns dabei, irrelevante ethische Probleme zu diskutieren." (Doris Griesser, 4.5.2019)