Die mittelamerikanische Jagdspinne Cupiennius salei ist für ihr komplexes und hochwirksames Gift bekannt.

Foto: Institut für Ökologie und Evolution/Universität Bern

Giftspinnen setzen nicht nur Nervengift ein, um ihre Beute lahmzulegen. Ihr Gift besteht aus einer Vielzahl an gefährlichen Bestandteilen. Wie diese unterschiedlichen Substanzen miteinander interagieren, fassten Forscher der Universität Bern nun in einer umfangreichen Überblicksstudie zusammen.

Bisher fokussierte die Forschung vor allem auf im Spinnengift enthaltene Neurotoxine (Nervengifte). Die anderen Bestandteile wurden größtenteils außer Acht gelassen, stellen aber einen wichtigen Teil des Wirkungsmechanismus auf den Organismus der Beute dar, wie Lucia Kuhn-Nentwig und Wolfgang Nentwig mit Kollegen im Fachblatt "Toxins" berichten.

Abgestimmter Mechanismus

Die Wissenschafter haben die Produkte der Spinnengiftdrüse am Beispiel der handtellergroßen Jagdspinne Cupiennius salei genauer analysiert. Demnach lösen die verschiedenen Bestandteile des Spinnengifts im Beutetier diverse, exakt aufeinander abgestimmte Wechselwirkungen aus.

"Spinnengift ist mehr als ein Toxin, es ist eine ganze Armada von Substanzen, die auf maximal vielen verschiedenen Wegen einen Organismus angreifen, lähmen und töten", erklärte Kuhn-Nentwig. Diesen hocheffektiven Wirkmechanismus des Gifts beschreiben die Forscher mit dem Begriff "Duale Beute-Inaktivierungsstrategie". Darunter fassen sie auf der einen Seite die Nervengifte, auf der anderen einen unspezifischen, stoffwechselbedingten Teil.

"Beide Teile der Strategie interagieren sehr eng miteinander", sagte Kuhn-Nentwig. "Nicht nur Muskeln und Nervensystem der Beutetiere werden angegriffen, auch die innere Homöostase, das physiologische Gleichgewicht in einem Organismus, wird durch die Blockade von Ionenkanälen und verschiedenen Stoffwechselwegen gestört."

Vom Krampf zum Tod

Der Angriff auf Muskeln und Nerven löst Krämpfe und Lähmungen aus. Andere Bestandteile des Giftcocktails zerstören das Gewebe der Beutetiere und erleichtern so den Nervengiften die Verbreitung im Organismus. Dies löst zudem langfristig Schmerzen und Entzündungen aus. Weitere Komponenten bringen den Energiehaushalt durcheinander, indem sie den Blutzucker erhöhen und die Körperfunktionen der Beute damit massiv stören.

Die wesentlichen Giftkomponenten sind in ihrer Wirkung exakt aufeinander und auch auf verschiedene Stoffwechselwege abgestimmt, so das Fazit der Forscher. "Diese duale Beute-Inaktivierungsstrategie ist sehr effektiv – sie reduziert das Risiko, dass die Spinne ein Beutetier verliert und auch, dass potenzielle Beutetiere langfristig eine Resistenz gegen Spinnengift entwickeln", so Kuhn-Nentwig.

Spinnengifte werden rege erforscht, unter anderem um die Grundlage für Wirkstoffe gegen Nervenerkrankungen zu schaffen. Erfolgreich war man bisher insbesondere bei der Entwicklung von möglichen neuen Insektiziden. (red, APA, 3.5.2019)