Die sechsjährige Miriam möchte seit Stunden mit ihrer Mama ein Spiel spielen. Doch Julia, ihre Mama, muss noch etwas für die Arbeit fertigmachen und vertröstet ihr Kind immer wieder. Auch wenn die Mutter noch so gerne mit ihrer Tochter spielen möchte, hat in diesem Fall die Arbeit einfach Vorrang vor dem Familienleben.

Jochen kommt oft sehr spät von der Arbeit nach Hause. Auch seine Lebensgefährtin Alexandra hat trotz Teilzeitstelle eine dichte Woche. Die beiden Kinder sind in einer Ganztagsschule untergebracht. Jetzt ist Alexandra wieder schwanger, und die beiden überlegen ernsthaft, ob sie unter diesen ganzen Umständen noch ein drittes Kind bekommen wollen.

Gerda und Leo haben zugunsten ihrer Karrieren auf Nachwuchs verzichtet. Die beiden haben sehr gut bezahlte Jobs, können mindestens dreimal im Jahr auf Urlaub fahren und es sich dann dort nach Herzenslust gutgehen lassen. Sie wollten die Verantwortung für Kinder nicht fremden Menschen anvertrauen und haben nie die Möglichkeit gesehen, den gewollten Kindern wirklich gerecht werden zu können.

Vereinbarkeit von Familie und Arbeit

In Österreich sind rund 40 Prozent aller Erwerbstätigen neben dem Beruf noch durch familiäre Verpflichtungen gebunden. Laut Statistik Austria stehen nach wie vor Frauen vor der Herausforderung, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, während das berufliche Engagement der Männer durch die Geburt eines oder mehrerer Kinder weniger beeinflusst wird.

So ist für ein gesundes Leben ein ausgewogenes Verhältnis von Beruf, Familie und persönlichen Bedürfnissen sehr wichtig. Ebenso notwendig ist es, dass die täglichen Anforderungen und Aufgaben im familiären Bereich, im Beruf und im sozialen Gefüge bewältigbar sind, eventuelle Mehrbelastungen nicht in ständiger Überforderung enden.

Es zeigt sich aber, dass viele Erwachsene diese ständige Zerrissenheit zwischen Nachwuchs, Erfüllung der beruflichen Aufgaben und eigenen Bedürfnissen tagtäglich erleben und mitunter sehr darunter leiden, keine Ausgewogenheit schaffen zu können.

Denn wer Kinder hat und Karriere machen möchte, zahlt zumeist einen hohen Preis dafür. Dieser wird in der Gesellschaft sehr selten diskutiert. Vor allem Frauen sind es, die viele Nachteile für sich in Kauf nehmen müssen, und tatsächlich ist es selten so, dass man wirklich von einer Vereinbarkeit sprechen kann, die auch eine Art von Zufriedenheit aller Beteiligten ermöglicht.

Sieht das nach Vereinbarkeit aus?
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Alles eine Sache der Disziplin?

Nicht allzu selten hören Frauen in Diskussionen über die Mehrfachbelastung, dass alles eine Frage der Disziplin sei. Denn, so meinen viele, es sei in unserer heutigen Gesellschaft mit diesen unglaublichen Möglichkeiten doch viel einfacher als früher, alles miteinander vereinbaren zu können.

Oft ist der geregelte Alltag heutiger Familien ein Kraftakt. Mitunter wird unter den Erwachsenen gestritten, miteinander um Zeit gehandelt, Zeit umverteilt und immer wieder nach einem Kompromiss gesucht, der oftmals zumindest für einen der Beteiligten eigentlich keiner ist. So stellt sich andauernd die Frage danach, wer was wann wo und wie macht.

Unvorhergesehenes darf in diesen Plänen nicht passieren. Sonst schlittert das ganze System Familie in eine absolute Organisationskatastrophe. Und das alles passiert immer mit dem Leitsatz: Wer will, der kann und findet schon eine gute Lösung dafür.

Verlierer im System

Selten wird in der Hektik des alltäglichen Wahnsinns gefragt: Wie geht es eigentlich allen Beteiligten dabei? Der Mutter, die schon wieder nicht dazukommt, sich mit ihrer besten Freundin zu treffen? Dem Vater, der jeden Abend aufs Neue die Mutter beim Abendritual mit den Kindern zu unterstützen versucht? Den Kindern, die trotz aller Rücksicht ständig zu funktionieren haben und oftmals von Babysittern und Hortpädagoginnen und -pädagogen, von Großeltern oder Aupairs betreut werden müssen, weil die Eltern und engsten Bezugspersonen wieder Dringenderes zu tun haben, als mit ihren Kindern einfach nur Zeit zu verbringen?

Getaktetes Leben

Erwachsene meinen, sie müssen immer funktionieren oder dass sie ewig Zeit haben – Zeit, um etwas später nachzuholen oder zu erleben. Wahrscheinlich, weil die Erwachsenen oftmals gelernt haben, ihre Gefühle und Bedürfnisse etwa nach Ausgewogenheit, Ruhe und Entspannung nicht ernst zu nehmen beziehungsweise immer wieder zurückzustellen oder auf später zu verschieben.

Selbstverständlich ist es notwendig, nicht alles sofort zu erledigen oder haben zu wollen. Aber in einer Gesellschaft, die vermeintlich dauernde Verfügbarkeit fordert, bedarf es eines vermehrten und bewussten Umgangs mit der verfügbaren Zeit und den Möglichkeiten jedes einzelnen Menschen.

Kinder und Eltern

Es ist keine Frage, dass Familien Kompromisse leben müssen. Die Kinder können aus dem Vorbild der Eltern und Bezugspersonen lernen, wie diese das Verhältnis zwischen Beruf, Familienleben und eigenen Bedürfnissen gestalten. Sie schaffen dadurch die Basis dafür, wie Kinder dann später als Erwachsene mit dieser ständigen Verfügbarkeit und dauernden Belastung umgehen und wiederum ihrem Nachwuchs und sich selbst gerechter werden können.

Demnach ist es wichtig, dass Kinder an ihren Eltern und Bezugspersonen sehen, dass ein Beruf Spaß und Freude machen kann, genauso wie Freizeit und das Miteinander aller Familienmitglieder für den Ausgleich notwendig sein können.

Ihre Erfahrung?

Gibt es Ihrer Meinung nach Vereinbarkeit von Familie, Beruf und persönlichen Bedürfnissen? Wie schaffen Sie den Spagat zwischen beruflicher Herausforderung und Familienleben? Wie kommen Ihre Kinder damit zurecht? Posten Sie Ihre Erfahrungen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 3.5.2019)