Die Geschäftsführer des Jö-Bonus-Klubs, Ulrike Kittinger und Mario Günther Rauch, wollen die Karten-Mania in den Geldbörsen reduzieren.

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Wien – Der Mensch ist ein Jäger und Sammler. Daran lassen viele Marketingexperten keine Zweifel und schaffen regelmäßig neue Beute herbei. Im Falle des Handels sind es Punkte. Schlichter Einkauf genügt, um ihrer habhaft zu werden. In erklecklicher Menge angehäuft, versprechen sie kleine Geschenke und Rabatte. Eine Karte genügt, und man ist Clubmitglied. Die Währung, mit der für die eine oder andere Begünstigung bezahlt wird, sind persönliche Daten und teils tiefe Einblicke ins private Einkaufsverhalten.

14 Kundenkarten tragen die Österreicher im Schnitt mit sich herum. Ihre Erwartung, sich damit Schnäppchen zu sichern, erfüllt sich bei jedem dritten Einkauf: 30 Prozent der Lebensmittel hierzulande werden über Aktionen erworben, und damit gut doppelt so viele wie im Nachbarland Deutschland, das im Gegenzug mit generell niedrigeren Preisen aufwartet. Die Palette an Rabattkarten wird nun um eine goldene erweitert.

14 Kundenkarten drängeln sich im Schnitt in den Geldbörsen der Österreicher. Künftig gibt es auch eine goldfarbene.

Ihr Gründer ist Rewe, die dafür neben ihren eigenen Vertriebslinien Unternehmen wie OMV, Bawag PSK, Interio, Libro und Pagro ins Boot holte. 3,7 Millionen Mitglieder will die Gruppe für ihren "Jö Bonus Club" bis Jahresende gewinnen. 250.000 seien jetzt schon registriert, rechnet Ulrike Kittinger, Chefin des Bonusklubs vor. Sie geht von einer Million Transaktionen täglich in 3000 Geschäften aus. Und die Garde an elf Partnern, bei denen sich Rabatte sammeln und einlösen lassen, werde ab Herbst deutlich ausgebaut.

Antwort auf Amazon

Rewe spricht davon, die Konsumenten fürs Einkaufen zu belohnen. Rabattsysteme würden künftig vereinfacht, Kunden von für sie relevanteren Angeboten als bisher profitieren. Ziel sei es, diese vermehrt auf individuelle Bedürfnisse zuzuschneiden. Hinter den Kulissen ist zu hören, dass das bisherige Kartenprogramm dem Supermarktkonzern mehr Kosten als Nutzen gebracht haben soll. Eine stärkere Bündelung der Systeme habe sich daher aufgedrängt. "Jö" sei Österreichs Antwort auf die Dominanz internationaler Internetriesen, betont man bei Rewe.

Stationäre Händler blicken seit Jahren neidvoll auf Onlineriesen, die das Sammeln und Auswerten persönlicher Daten ihrer Kunden nahezu perfektioniert haben.

Nicht geteilt wird die Euphorie für das Bonusmodell von Konsumentenschützern, die auch andere Modelle wie Payback in kritischem Licht sehen. Die Ersparnisse seien in Summe überschaubar, die Rabatte würden eben woanders eingepreist, sagt Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation. "Letztlich liegt der Vorteil der Kundenbindungsprogramme immer beim Anbieter."

"Eh nichts zu verbergen"

Hager bedauert, dass es dem Großteil der Österreicher an Sensibilität im Umgang mit ihren Daten fehle. Vielen sei es einerlei, nach dem Motto: Man habe ja ohnehin nichts zu verbergen. "Aber wo Daten sind, werden sie auch verwendet." Und je mehr Unternehmen darin involviert seien, desto heikler werde es.

Entscheidend sei die Ausgestaltung dieser Kundenbindungsprogramme – Billa speichere freilich bereits jetzt jedes Brezerl, das gekauft werde, gibt der Datenschützer Max Schrems zu bedenken. Er erinnert an Fälle in den USA, wo Händler über die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft ihrer Kunden mutmaßen konnten und mit entsprechendem Angebot reagierten. Und erzählt von US-Supermärkten, in denen man ohne Clubkarte kaum mehr ordentlich einkaufen könne – was die freie Entscheidung über die Herausgabe persönlicher Daten relativiere.

Rewe verspricht den sorgsamen Umgang damit und keine Weitergabe derselben an Dritte. Analysiert werde anhand der Karten das Einkaufsverhalten der Kunden. Kittinger: "Wir bilden dazu Cluster. Daten einzelner Kunden zu analysieren wäre gar nicht möglich." Individualisierte Angebote gebe es nur auf eigenen Wunsch.

Konkurrent Spar, erklärter Gegner von Bonuskarten, springe auf diesen Zug im Übrigen auch künftig nicht auf, sagt Konzernsprecherin Nicole Berkmann. Spar sei auch ohne sie kräftig gewachsen und stecke das Geld dafür lieber direkt in die Produkte: Der finanzielle Aufwand dahinter, allein die Kosten fürs Marketing, seien enorm. (Verena Kainrath, 2.5.2019)