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Am Weg nach draußen: Theresa May.

Foto: AP / Andrew Mattwes

London – Es war keine gute Nacht für die großen Volksparteien. Bei den Kommunalwahlen in England und Nordirland schnitten die regierenden Konservativen katastrophal und die oppositionelle Labour-Partei enttäuschend ab. Nutznießer waren Unabhängige, Grüne und vor allem Liberaldemokraten. Die Wut über das Brexit-Chaos resultierte in einer Protestwahl. Das Ergebnis fasste der Politologe John Curtice mit einem Shakespeare-Zitat zusammen: "Zum Teufel beider Sippschaft!" Beide hätten dort verloren, wo sie zuvor sehr stark waren.

Die Tories hat der Unmut am schlimmsten erwischt. Sie verloren hunderte Stadtratssitze im Südosten Englands. In Bath wurde der Chef der Konservativen Tim Warren abgewählt und sagte: "Die Wähler (...) haben uns gesagt, dass sie den Konservativen nicht mehr trauen können, hauptsächlich wegen des Brexits." Premierministerin Theresa May hatte 108 Mal versprochen, dass der Austritt bis zum 29. März vollzogen werde. Jetzt ist der Brexit aufgeschoben und der Frust, dass das Gezerre noch bis zum 31. Oktober weitergehen soll, macht sich Luft.

Doch auch Labour verlor, besonders in den Midlands und im Norden. Sunderlands Ratspräsident Graeme Miller hält die Brexit-Politik der Partei dafür verantwortlich, die einerseits für einen weichen Ausstieg plädiert, aber auch mit einem zweiten Referendum liebäugelt.

Frühlingsluft für Liberaldemokraten

Die großen Gewinner waren daher die Alternativen zu den Volksparteien. Neben unabhängigen Wählergemeinschaften konnten sich auch die Grünen über Zugewinne freuen. Besonders profitierten die Liberaldemokraten, die sich als "Stop Brexit"-Partei positioniert hatten und sich frustrierten Labour-Anhängern wie wütenden Tories-Unterstützern als Alternative anboten. Für die LibDems, die 2010 Teil der Regierungskoalition waren und 2015 abstürzten, zeichnet sich jetzt eine Renaissance ab.

Das schwache Labour-Abschneiden dagegen lässt nicht erwarten, dass bei einer Wahl zum Unterhaus die Gewichte entscheidend verschoben würden. Curtice: "Da gibt es dann eine nicht ganz so triviale Wahrscheinlichkeit: Dass wir ein Parlament bekämen, das ebenso unfähig wäre, eine Entscheidung über den Brexit zu treffen, wie das jetzige." (Jochen Wittmann aus London, 4.5.2019)