Die Wiener Taschendesignerin Ina Kent wohnt in der Nähe der Mariahilfer Straße. Bei ihr zu Hause stoßen die Dinge in gewisser Willkür aufeinander. Doch diese Brüche zeichnen das Wohnen und das Leben aus.

"Ich wohne gemeinsam mit meiner Tochter in einer schönen und großen Wohnung mit Blick auf Wien. Die Wohnung ist schöner und größer als alles, was ich davor bewohnt habe, und ich muss gestehen, dass ich zu Beginn ein ziemlich schlechtes Gewissen hatte, hier zu sein. Das ist wohl meine Natur. Heute, im Rückblick nach all den Jahren, sehe ich die Sache entspannter. Ich bin eine selbstständige Unternehmerin, ich arbeite echt sauviel, und ich bin der Meinung, dass ich mir ein schönes, wohltuendes Wohnen verdient habe.

"Gefunden, angerufen, besichtigt, zugeschlagen, eingezogen." Ina Kent in ihrer Wiener Wohnung.
Foto: Lisi Specht

Die Wohnung liegt in der Nähe der Mariahilfer Straße, nicht weit von meinem Büro und meinen Geschäften entfernt, und das Viertel ist jenes Eck von Wien, in dem ich mich am wohlsten fühle. Ich brauche Stadt um mich herum. Und mehr dichte und lebendige Stadt als hier – mit all den Läden, Cafés, Restaurants und fast dörflich wirkenden Ecken – kann man gar nicht haben. Viel besser kann man urban nicht wohnen. Umso erstaunlicher finde ich, dass man trotz all der Dichte rundherum auch ein bisschen ins Grüne blickt. Das ist echt toll.

Ich höre immer wieder, dass Leute sich unzählige Wohnungen anschauen, bevor etwas dabei ist. Das kann ich nicht nachvollziehen. In meinem Fall lege ich strenge, für mich wichtige Kriterien an, sodass zwar lange nichts Passendes daherkommt, aber wenn man dann etwas findet, dann ist es das auch! So war das mit dieser Wohnung. Gefunden, angerufen, besichtigt, zugeschlagen, eingezogen. Dann war das schlechte Gewissen da. Aber wie gesagt ... ist zum Glück längst wieder verflogen!

Bilder vom Flohmarkt, Holzstühle von der Oma, die Wendeltreppe aus einem Geschäftslokal.
Fotos: Lisi Specht

Ich gehöre zu jenen Typen, die nicht lange herumtun, sondern die sich auf einen Schlag einrichten und sich mit all den Dingen umgeben, die nötig sind, um gut zu wohnen. Was dann nicht erledigt ist, ist und bleibt ein ewiges Provisorium. Spannend dabei finde ich, dass man zum Zeitpunkt des Einrichtens nicht nur kauft und anfertigen lässt, sondern dass einem genau dann auch die Dinge zufliegen! Bilder am Flohmarkt, eine alte Kredenz, die nicht wirklich herpasst, die aber so schön ist, dass ich sie einfach haben wollte, oder die Holzstühle von der Oma, die ich ziemlich unbequem finde, die aber mittlerweile zu meinen Lieblingsmöbeln gehören.

Das Zentrum meines Wohnzimmers ist dieser große Esstisch, an dem ich sitze. Das Holz stammt aus einem alten Dachstuhl in Wien. Ich umgebe mich gerne mit alten Sachen, denn ich habe das Gefühl, dass sie zu einem sprechen und einem eine Geschichte auftischen. Die Wendeltreppe ist ein gefundenes Überbleibsel aus einem alten Geschäftslokal. Und der Korb unter der Treppe ist ein furchtbar hässliches Trumm, an das ich mich aber so sehr gewöhnt habe, dass ich es bis heute nicht übers Herz gebracht habe, ihn zu entsorgen. Nach all den Jahren steht er also immer noch da.

Ina Kent ist überzeugt davon, dass einem zum Zeitpunkt des Einrichtens die Dinge zufliegen.
Fotos: Lisi Specht

All das zusammen ist Wohnen für mich: Die Dinge stoßen in einer gewissen Willkür aufeinander, passen meist nicht wirklich zusammen, und doch ist es gut, so wie es ist. Ich glaube, dieser Bruch ist genau das, was mich privat wie beruflich auszeichnet. Auch meine Taschen kombinieren eine gewisse Roughness mit einer gewissen Eleganz. Ich mag dieses Hybride, diese Mischung aus schön und unschön, grob und edel, matt und glänzend, künstlich und naturbelassen – und letztendlich aus Wohnen und Arbeiten. Bei mir fließen die Dinge nahtlos ineinander. Manchmal frage ich mich: Ist das Leben wirklich Teil des Unternehmerseins? Wie viel Privatleben gibt es überhaupt noch, wenn man so eine getriebene Unternehmerin ist, wie ich es bin?

Was die Zukunft betrifft: Ich habe eigentlich kein durchdefiniertes Ziel, wo ich hinmöchte. Natürlich habe ich Visionen, aber im Alltag äußern sich die Visionen eher dahingehend, dass man Probleme nicht anstehen lässt, auf Gegebenheiten angemessen reagiert und die Chancen wahrnimmt, die einem zufliegen." (6.5.2019)