Zwei der Flaggen, die die Gegendemonstranten am 23. März in die Höhe hielten.

Foto: Timo Müller

Wien – Eine israelfeindliche Kundgebung der Organisation Boycott, Divestment and Sanctions (BDS), die von Wissenschaftern als antizionistisch und auch antisemitisch eingestuft wird, sorgt für ein juristisches Nachspiel. Am 23. März hielt die BDS eine angemeldete Kundgebung ab, im Zuge derer laut Beobachtern rund 25 bis 30 Teilnehmer von der Botschaft der USA zu jener Israels marschierten.

Beobachter der Organisation Boycott Anti-Semitism erzählen, dass auf der Kundgebung nicht nur Parolen wie "Free Free Palestine", "Lasst Gaza leben, lasst Gaza frei", sondern auch "Kindermörder – Israel" skandiert wurden. Es seien auch Parolen auf Arabisch gerufen worden.

Zudem soll einer der Redner einen Schal der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) getragen haben. Von den Vorfällen wurden Videos und Fotos aufgenommen, die dem STANDARD teilweise vorliegen.

Gegendemo

Sowohl vor der US-Botschaft als auch vor der israelischen Botschaft formierte sich eine Gegendemo, bestehend aus rund 25 Mitgliedern und Sympathisanten des Bündnisses Boycott Anti-Semitism und der Jüdischen österreichischen Hochschülerschaft (JÖH). Diese hielten die israelische Staatsflagge sowie Flaggen, auf denen lediglich Aufschriften wie "Boycott Anti-Semitism", "Gegen jeden Antisemitismus, Solidarität mit Israel, #nobds" und auf einer weiteren "Austrian Union of Jewish Students" beziehungsweise "Jüdische österreichische Hochschülerinnen" prangten.

Vier der jungen Männer und Frauen wurden nun angezeigt und wehren sich vehement gegen die ihnen vorgeworfenen Tatbestände.

Laut Anzeige der Polizei wird ihnen vorgeworfen, sie hätten "Schmährufe und Provokationen von sich gegeben, bei den Demonstranten Unmut erzeugt und versucht, eine rechtmäßig angekündigte politische Kundgebung zu stören".

"Lang lebe Israel!"

Der Generaldirektor der JÖH sagt im Gespräch mit dem STANDARD, man habe nur friedlich gegen Antisemitismus protestiert und zu keiner Zeit Schmährufe gerufen. "Es sei denn, man bezeichnet 'Lang lebe Israel' als einen Schmähruf", so Benjamin Hess. Dass eine der Teilnehmerinnen "Fuck Palästina" gerufen habe, weist Hess entschieden zurück, man habe wortlos die Flaggen hochgehalten und: "Das widerspricht auch der Ideologie der Anwesenden." Die JÖH spricht sich für eine Zweistaatenlösung aus.

Laut Hess soll auch ein anwesender freier Journalist von der Polizei behindert worden sein, dieser überlege nun eine Maßnahmenbeschwerde.

Die Polizei antwortet auf eine Anfrage des STANDARD zu dem Vorfall schriftlich: "Die gegenständliche Anzeige wurde durch den Verfassungsschutz gelegt. Die angesprochene Israel-Fahne wurde von einer Person im Vorfeld, direkt neben der Versammlung, geschwenkt, dadurch kam es zu Provokationen und weiters Tumulten zwischen Demo-Teilnehmern und Gegen-Aktivisten. Solcherart Tumulte haben nichts bei einer Versammlung verloren. Die Person wurde bezüglich der Fahne abgemahnt und weggewiesen, die Person hat die Aktion dann auch eingestellt."

Jedoch: "Das Schwingen einer Fahne wurde in keiner Weise als deliktisch wahrgenommen und war auch nicht Grundlage für die Anzeigenlegung."

Auf die Frage des STANDARD, ob auch Teilnehmer der BDS-Kundgebung angezeigt wurden, gab es keine Antwort.

Allein und ohne Fahne

Was Hess als besonders skurril erlebte: Während er allein und ohne Fahne zwischen den beiden Botschaften unterwegs war, wurde er von einem Beamten nach seinen Personalien gefragt und davon in Kenntnis gesetzt, dass er eine Kundgebung veranstalte. "Ich fragte: Ich allein? Ohne Fahne? Der Beamte meinte, dass sei jetzt so", erzählt Hess, "ich hab ihn dann nach seiner Dienstnummer gefragt, die er mir auch gab."

Der Vorfall ist keine Premiere. Schon nach einer Kundgebung im Dezember 2017 wurden vier Studierende, die eine Israel-Flagge hochhielten, angezeigt. Die Verfahren gegen sie wurden damals aber eingestellt. Damals drohte man ihnen mit 100 Euro Geldstrafe, diesmal mit 150 pro Person.

Launsky-Tieffenthal: Schwingen israelischer Flagge nicht rechtswidrig

Aus dem Büro des Regierungssprechers Peter Launsky-Tieffenthal heiß es in einer schriftlichen Stellungnahme zum Fall am Freitag: "Das Schwingen der israelischen Flagge in Österreich als Zeichen der Unterstützung für Israel ist – allgemein gesprochen – keinesfalls eine Verletzung österreichischen Rechts. Es bedeutet, ganz im Gegenteil, den Ausdruck eines fundamentalen Rechts, das in der österreichischen Verfassung festgehalten ist – die freie Meinungsäußerung. Es ist allerdings insbesondere während einer Demonstration die Aufgabe der Polizei sicherzustellen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit geschützt werden. Der Vorfall wird gerade in seiner Gesamtheit untersucht, alle Umstände werden sorgfältig geprüft."

Unterstützung von Israelitischer Kultusgemeinde

Unterstützung bekommen die jungen Studierenden und Aktivisten vom Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Oskar Deutsch. "Protest gegen die antisemitische BDS-Bewegung ist wichtig und auch legal! Die IKG unterstützt die angezeigten Studenten zu 100 Prozent. Rechtsanwalt Dr. Ganzger von der Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner wird gegen die Strafanzeigen vorgehen", ließ Deutsch auf seinem Facebook-Account wissen. (Colette M. Schmidt, 3.5.2019)